Die schöne Betrügerin
ernstes Haus in ein Zuhause verwandelt hatte. »Kamerad« war vielleicht sogar ein zu schwaches Wort, um zu benennen, was Phillip ihm war.
Familie.
Aber natürlich war dem nicht wirklich so. Phillip Walters war einfach ein hoch geschätzter Angestellter, ein Pluspunkt für seinen Haushalt. Als verantwortungsbewusster Hausherr würde James ihm allen Trost angedeihen lassen, den er aufbringen konnte. Das war alles.
»Wenn Sie mir schon nicht erlauben, Ihnen zu helfen, dann gestatten Sie mir wenigstens, Ihnen einen Rat zu erteilen. Sie sind eine sehr gescheiter Junge, flink und gebildet. Sie können vieles zu Wege bringen. Was immer auch zu tun ist, Sie
werden
erleben, dass Sie sehr wohl dazu in der Lage sind.«
Phillip lachte kurz und bellend. James zwinkerte erstaunt. »Was amüsiert Sie so?«
»Ach, Sir, ich amüsiere mich nicht. Ich bin einfach nur schrecklich verwirrt. Ich weiß Ihre Anteilnahme zu schätzen, aber ich glaube, ich würde jetzt lieber allein sein.« Phillip holte Luft und wischte sich mit dem Handgelenk über die Augen. »Falls es Ihnen nichts ausmacht.«
James nickte; er wollte Phillip nicht weiter bedrängen. Phillip konnte manchmal ein derart empfindlicher Kauz sein. Aber immerhin saß er schon etwas aufrechter da, und seine Augen schwammen nicht mehr, stellte James befriedigt fest. Vielleicht hatte er ihm tatsächlich in gewisser Weise helfen können. Als James sich zum Gehen wandte, ließ er Phillipa ahnungslos mit brennendem Zorn im Herzen zurück.
Kaum fiel die Tür hinter James ins Schloss, sprang Phillipa auf. Ihr vulkanischer Zorn ließ sie nicht länger stillsitzen. Wie konnte er ihr mit solch warmherziger Sorge in die Augen sehen, wenn er zur gleichen Zeit plante, ihren Vater zu töten? Welches Monster konnte so freundlich erscheinen, wenn es nichts anderes als Tod im Sinn hatte?
Phillipa lief auf und ab, kämpfte die heißen Zornestränen nieder, von denen sie während der letzten Stunden so viele geweint hatte. Schluss damit! Sie würde sich ihre Wut auf sparen und sie benutzen, um das Vorhaben dieses Schurken zu vereiteln.
Sie rieb sich das Gesicht. Schluss mit den Flausen! Sie kämpfte jetzt um das Leben ihres Vaters und ihr eigenes.
Ihr eigenes Leben. Lieber Gott, was würde ein teuflischer Typ wie er tun, wenn er erfuhr, wer sie wirklich war? hegte keinen Zweifel, dass er auch ihre Eliminierung anordnen würde.
»Eliminieren!« Das Wort allein zeugte schon von der Kaltherzigkeit dieses Mannes und seiner moralischen Verwerflichkeit. »Ich werde dir das Handwerk legen, James Cunnington, keine Bange!«
Aber wie? Sie hatte den ganzen Abend über dagesessen, war hin und her gerissen gewesen, ob sie vor der Gefahr, in der sie sich hier im Haus befand, fliehen oder doch lieber bleiben sollte, um einen Weg zu finden, ihrem Vater zu helfen. Sie hatte entschieden, nicht schon wieder zu fliehen. Wie groß das Risiko auch sein mochte, sie würde sich nie mehr in irgendwelchen Löchern verstecken, wenn eine Chance bestand, Papa zu retten.
Aus dem Abend war tiefe Nacht geworden, während sie Ideen verworfen hatte, die gleichermaßen lächerlich wie unmöglich waren. Sie wusste bis jetzt noch nicht, wie sie das Notwendigste bewerkstelligen sollte. Sie zwang sich, wieder Platz zu nehmen und ihre wahnwitzigen Gefühlsaufwallungen zu zügeln. Wie konnte sie Papa helfen? Sie wusste ja nicht einmal, wo er war.
Aber James wusste es.
Das war offensichtlich. Schließlich konnte man niemanden eliminieren, solange man nicht wusste, wo sich derjenige überhaupt aufhielt. James war vermutlich Teil der ganzen Affäre. Irgendwie hatte Papa von Spanien aus die Sache der Briten gefährdet, und James und seine Kumpane hatten davon erfahren. Dann waren die Soldaten gekommen, hatten Papa weggeholt und Phillipas friedliche Welt zerstört.
James hatte ihr ganzes Leben ruiniert.
Sie kämpfte gegen den Ansturm von Gefühlen, der sie erneut zu überrollen drohte. Schlimm genug, dass James all das getan hatte, aber es geschahen auf beiden Seiten schreckliche Untaten. Es herrschte Krieg.
Aber sie hatte ihn
gemocht.
Ihn bewundert. Ihn sogar – sie fing an, sich wirklich krank zu fühlen – begehrt! Ihr Magen schmerzte bei dem Gedanken und der Erinnerung, wie seine Nähe sie berührte.Sie starrte zu Boden und versuchte zu denken. Was konnte eine einzelne Frau gegen eine Bande von Spionen ausrichten?
»Sie können vieles zu Wege bringen.«
Wieder lachte sie bitter über seine Worte. Sie war fähig, in
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