Die schöne Betrügerin
schwang.
Da stand sie in einem schmalen Gang, der nur von einer einzigen Talgkerze in einem Wandhalter erhellt war. Das gelbliche Licht erreichte sie kaum. Sie war ihm zugewandt, den Rücken an das schmale Fenster am Ende des Ganges gedrückt. Ihre Schleier schimmerten blau vor der schwarzen Nacht, die draußen herrschte, die zischende Kerze sprenkelte ihre Haut mit goldenem Licht.
Sie stand ganz still da, als warte sie nur darauf, dass er den Raum durchquerte und die Distanz zwischen ihnen überbrückte. James hielt inne. Über den Aufruhr seiner sexuellen Erregung hinweg, versuchte sich ein warnende Stimme bemerkbar zu machen. Wer war sie? Warum war sie hier? Eine bezahlte Tänzerin, eine Frau der Halbwelt, die sich in Schleiergewändern und mit sündigem Hüftschwung darbot? Tanzte sie demnach für jeden? Aus irgendeinem Grund konnte er den Gedanken nicht ertragen.
»Ich dachte, du tanzt für mich allein«, flüsterte er.
Ihre Lippen bewegten sich langsam:
Ja.
»Und heute?«
Ja.
»Und jetzt?«
Um ihre Augenwinkel bildeten sich Fältchen, die bloße Andeutung eines Lächelns, doch James wurde leicht ums Herz. Sie war seinetwegen hier, nicht der anderen wegen. Dass die anderen ihren Tanz gesehen hatten, war ohne Bedeutung. Sie war
sein
Traum.
Sie fing an zu summen. Die exotische Melodie wehte auf ihn zu wie ein warmer duftender Wüstenwind. Langsam, im perfekten Takt mit den sich hebenden und senkenden Noten, begann sie ihre Hüften zu schwingen.
Er hörte die Glöckchen.
Phillipa tanzte auf James zu, der aufrecht und steif dastand, als sei es alleine an ihr zu agieren. Er wartete ab, als habe er Angst sich zu bewegen und womöglich aus seinem Traum zu erwachen.
So schön und so stark, ihr James. Wie kraftvoll sein Körper doch war und wie verwundet seine Seele. Sie würde ihn mit ihrer Liebe heilen, wenn sie konnte.
Dieses Mal würde sie es tun.
Als sie den Kerzenhalter passierten, griff sie nach dem Stück Schleier, das ihr Gesicht verhüllte. James Augen weiteten sich vor Überraschung. Sie wünschte, sie hätte ihm ihr Gesicht zeigen können, wie er es sich offenkundig erhoffte.
Doch während sie den Schleier herabgleiten ließ, wandte sie sich dem Kerzenhalter zu, hob den verrußten Glaszylinder an und blies die Kerze aus. Der Gang war stockdunkel. Nichts war mehr da, nur die rhythmischen Klänge ihres Lieds und das Geräusch seines Atems, der immer rauer wurde.
Sie spürte seine Nähe mit einer solchen Eindringlichkeit, dass sie ihren Körper nur Zentimeter, bevor sie ihn berührte, abbremsen konnte. Sie hob beide Hände, umfasste sanft sein Kinn und zog sein Gesicht zu sich herab. Er beugte sich mehr als willig zu ihr, gestattete ihr nur zu gern, die Führung zu übernehmen. Sie hielt ihn fest, seine Lippen so nahe an ihren, dass sie seinen Atem auf den Wangen spüren konnte.
Ihr erster richtiger Kuss.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, ließ ihr Lied verklingen und brachte versuchsweise ihrer beider Lippen zueinander.
James zitterte, als ihre weichen Lippen ihn berührten. Seine Hände umfassten sie seitlich. Er wollte sie wieder beführen. Er musste sie wieder berühren. Er hob die Hand und strich mit den Knöcheln über ihre zarten Wangen. War sie schön? Kümmerte ihn das überhaupt? Er war so verrückt nach ihrem feuchten, geschmeidigen Körper, dass es wohl kaum eine Rolle spielte.
Er zog ihren schlanken Körper mit einer plötzlichen Bewegung in seine Arme und presste sie fest an sich.
Für ihn zählte nur eines: dass sie seinetwegen hier war. Er war es, den sie gesucht hatte; er war es, den sie jetzt küsste. Sein Traum, lebendig und lustvoll in seinen Armen.
Sein Kuss wurde fordernder; endlich durfte er einen Teil von ihr besitzen. Ihre Lippen antworteten jedem Druck, jeder Zärtlichkeit, jeder gierigen Bewegung. Als er seine Zunge ganz sacht zwischen ihre Lippen schob, antwortete sie ihm nur mit der entsprechenden, einladenden Zärtlichkeit.
Die Berührung ihrer willigen Zunge ließ seine Selbstbeherrschung außer Kontrolle geraten. Sein Mund verließ den ihren, küsste einen heißen Pfad den Hals hinab auf ihre nackten Schultern. Seine Hände zerrten gierig an dem verbliebenen Schleier, der sich schließlich aus dem goldenen Gürtel und dem Halsteil löste. Sie wehrte sich nicht, drängte ihn sogar, sie zu erforschen, indem sie seine Hand auf eine entblößte Brust schob.
Er vergrub sein Gesicht an ihrem feuchten Hals, widmete alle seine Sinne der Erforschung ihres
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