Die schöne Betrügerin
widerstehen.
Als er im Club ankam, nachdem er, ohne zu frühstücken, das Haus verlassen hatte, wartete Stubbs schon auf ihn. »Ich kann alles«, sagte er aufgeregt und fuchtelte mit Robbies Fibel herum.
Robbie hatte sie Stubbs geliehen, nachdem er ihm das Versprechen abgenommen hatte, sie gleich wieder zurückzugeben, und James hegte große Hoffnungen, dass Flips Wunderbuch bei Stubbs das Gleiche bewirkte wie bei Robbie.
»Ich habe in der Kryptografie zu tun, lass es uns heute Abend durchgehen.« Er gab Stubbs einen Klaps auf die Schulter und zwang sich zu einem Lächeln.
»Ist gut, Sir. Ich lerne noch weiter, während ich auf die Tür aufpasse.« Er ließ die zerflederte Fibel in der Jacke seiner Livree verschwinden und kehrte fröhlich an die Tür zurück.
James wünschte, seine anderen Probleme würden sich ebenso leicht lösen. »Vielleicht überlässt du sie besser Phillip«, murmelte er vor sich hin.
Seiner eigenen Übellaunigkeit zum Trotz war James froh, Phillip auf den Ball von Mrs. Blythe mitgenommen zu haben. Was auch immer dem Burschen Sorgen bereitet hatte, schien sich erledigt zu haben. James hatte die Fröhlichkeit, die mit Phillip ins Haus gekommen war, bereits vermisst. Nun hoffte er, dem Burschen noch etwas Abenteuerlust vermitteln zu können.
Phillip könnte ein solcher Gewinn für den Club sein.
James dachte daran, wie glücklich Stubbs mit seiner Fibel war, und korrigierte sich lächelnd. Phillip war bereits ein Gewinn für den Club.
Es gab nur einen Menschen, an den sich Phillipa in ihrer Verwirrung wenden konnte.
Button schenkte ihr noch eine Tasse Tee ein und reichte ihr ein trockenes Taschentuch. »Ich verstehe nicht, weshalb Sie es ihm nicht erzählen wollen.«
»Ich kann mich nicht offenbaren. Es ist noch zu früh… oder vielleicht schon zu spät, ich weiß nicht recht. Er darf nie erfahren, wer ich bin oder was ich getan habe. Verstehen Sie denn nicht? Er wird mir, nachdem ich ihn so getäuscht habe, niemals glauben, dass ich ihn wirklich liebe. Und wenn er mich dann hasst… – ich fürchte, das würde mich umbringen.«
Button schüttelte den Kopf. »Eine traurige Geschichte, als wär’s ein Stück des großen Barden höchstpersönlich. Liebe vom Streit zweier Häuser entzweit…« Button schniefte. »Werden Sie uns also verlassen? Einfach so, ohne Erklärung?«
»Wenn ich jetzt gehe, verliert James lediglich einen Hauslehrer.«
»Und einen Freund, vergessen Sie das nicht. Er betrachtet Sie als Freund.«
»Und einen Freund«, stimmte sie leise zu. »Und ich verliere die letzte Chance, seine Liebe zu erfahren.«
Buttons Schweigen wandelte sich innerhalb eines Herzschlags, war nicht mehr aufmunternd, sondern hatte etwas Verschwörerisches. Sie drehte sich zu ihm. »Was? Worüber denken Sie nach?«
»Darüber, dass es… vielleicht eine letzte Chance für Sie gibt.«
»Wie meinen Sie das?«
Button trocknete sich mit dem Taschentuch die Augen und wirkte plötzlich sehr entschlossen. »Tanzen Sie für ihn, nur noch ein einziges Mal.«
24. Kapitel
James saß mit Stubbs an einem Tisch im Aufenthaltsraum der Liars, benutzte Phillips aufschlussreiche Fibel und sonnte sich in dem größten Erfolg, den er je mit seinem Lehrling gehabt hatte.
»Oh, das ist eins, das kenne ich!« Stubbs legte erstmals so etwas wie Lerneifer an den Tag, was das geschriebene Wort anging. »Mal sehen… M steht für Markt, A ist für Asche oder Ale, N steht für Newgate… M… A… N… N.« Stubbs lehnte sich mit einem fassungslosen Leuchten in den Augen zurück und schaute James an. Dann deutete er langsam mit dem Finger auf das Wort. »Das da heißt ›Mann‹.«
James neigte den Kopf zur Seite, um es zu überprüfen. »In der Tat«, sagte er feierlich.
Stubbs beugte sich über das nächste Wort. »Verdammt und zugenäht. Erst ist es bloß ein Gekritzel auf dem Papier und dann sagt es plötzlich was zu einem.«
James lachte nicht über Stubbs’ Staunen. Wie hätte er das auch gekonnt, da der Bursche doch so entzückt war? James hatte zum ersten Mal überhaupt Einblick in die karge, begrenzte Welt der Analphabeten. Stubbs war nie von einer spannenden Abenteuergeschichte mitgerissen worden, hatte sich nie darüber freuen können, in einem Buch auf genau die Information gestoßen zu sein, nach der er gesucht hatte.
James bedauerte jeden Moment, den er durch seine Ungeduld und sein mangelndes Feingefühl verschwendet hatte, und beugte sich vor. »Stubbs, die haben dir alle was zu sagen.
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