Die Schöne des Herrn (German Edition)
bestem Geschmack zu besorgen, alles vom Teuersten, teuer bezahlt und mit offener Hand ausgegeben, jeden Preis werde ich unbeeindruckt akzeptieren, nur der Himmel ist die Grenze! Nun kommt, geliebte Brüder, und tut es mir gleich!«
***
Um zwei Uhr nachmittags bewunderte sich Eisenbeißer, die Faust in die Hüfte gestemmt, in dem kleinen Spiegel in seinem Zimmer. Neuer Frack mit schönen Seidenrevers. Gestärktes Hemd. Getüpfelte Künstlerschleife, um einen Anschein von Nachlässigkeit zu erwecken. Panamahut, der Hitze wegen. Strandschuhe wegen der Empfindlichkeit seiner Zehen. Tennis- und Golfschläger, um wie ein englischer Diplomat auszusehen. Gardenie im Knopfloch. Gebildet wirkendes Lorgnon, dem ein schwarzes Band, an dem seine langen Zähne galant knabberten, eine gewisse Feierlichkeit verlieh. Und schließlich, in Reserve gehalten unter den Rockschößen, die große Überraschung, die er im geeigneten Augenblick zeigen würde, unmittelbar bevor der hohe Herr Solal ihn empfing. Ja, es war klüger, diesen guten Saltiel, der allzu sehr den Pedanten herauskehrte, vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Kurz danach traten Mattathias und Michael ein. Letzterer hatte sich seine Synagogendieneruniform angezogen: goldverbrämte Weste mit kleinen Knöpfen und Litzen, eng gefältelte Fustanella, Schnabelschuhe mit nach oben gebogener Spitze und roter Quaste und ein breiter Gürtel, aus dem zwei alte damaszierte Pistolenknäufe schauten. Eisenbeißer war zufrieden. Sehr gut, er würde Michael zu seinem Ordonnanzoffizier machen! Was Mattathias anbetraf, so hatte dieser sich damit begnügt, die Paspeln von seinem Totengräberkostüm (übernommen von einem seiner Schuldner in Kephalonia, der es von einem Angestellten der Bestattungsgesellschaft geerbt hatte) zu entfernen, und außerdem hatte er sich eine im Flugzeug von London nach Genf gefundene hellbraune Melone aufgesetzt. Ziemlich blass, dieser Mattathias, fand Eisenbeißer, aber umso besser, denn der Kontrast wäre nur zu seinem Vorteil. Als die beiden Cousins ihrer Verwunderung über den schwarzen Glanz seines gegabelten Bartes Ausdruck verliehen, erklärte er ihnen, er habe in Ermangelung von Brillantine schwarze Schuhwichse benutzt, die sich ebenso gut eigne.
Unterdessen war Salomon eingetreten, errötend in dem Anzug, den er soeben im
À l’enfant prodigue
, einem Geschäft für Kinderkleidung, erstanden hatte. Da er nichts Passendes in seiner Größe gefunden hatte, war seine Wahl schließlich auf einen Erstkommunikantenanzug gefallen, den ein gewitzter oder witziger Verkäufer ihm aufgeschwatzt hatte. Besonders stolz war er auf die weiße Armbinde mit Fransen aus Seide, deren religiöse Bedeutung ihm, ebenso wie den anderen drei Tapferen, unbekannt war. Auch auf die kurze, nur bis zur Taille reichende Etonjacke ohne Rockschöße, die Eisenbeißer sogleich einen »Hinternabfrierer« nannte, war er sehr stolz.
Endlich kam auch Saltiel herein, und Eisenbeißer freute sich, als er feststellte, dass sein Onkel den haselnussbraunen Gehrock anbehalten hatte. Umso besser, so würde er als Einziger glänzen, der einzige Ranghöhere und Abendländische unter ihnen, und man würde ihn für den Chef der Delegation halten. Mit napoleonischem Blick inspizierte Saltiel die Kleidung seiner Cousins. Nur Michael fand Gnade vor seinen Augen.
»Salomon, nimm diese Armbinde ab, die überhaupt nichts bedeutet. Mattathias, barhäuptig, wenn du keinen anderen Hut hast. Und du, Eisenbeißer, was soll denn dieses Karnevalskostüm? Der Frack, genehmigt, behalte ihn an. Aber weg mit all dem anderen scheußlichen Kram. Sonst werde ich einschreiten, und du wirst nicht empfangen.«
Der Ton ließ keinen Widerspruch zu. Eisenbeißer musste gehorchen. Der Tennis- und der Golfschläger, der Panama und die Strandschuhe wurden durch eine Aktentasche aus marokkanischem Ziegenleder, einen Spazierstock mit Goldknauf, einen grauen Zylinder und schwarze Lackschuhe ersetzt – lauter Dinge, die noch schnell eingekauft werden mussten, denn der Onkel war unerbittlich. Immerhin gelang es Eisenbeißer, die Künstlerschleife, die Gardenie und das Lorgnon durchzusetzen, denn er schrie so lange, es sei reine Tyrannei und man wolle ihn entehren, dass Saltiel um des lieben Friedens willen schließlich nachgab.
»Auf zu den Genüssen der Macht!«, rief Eisenbeißer.
***
Der Fiaker hielt vor dem Haupteingang des Palais des Nations, und Eisenbeißer stieg als Erster aus. Nachdem er dem Kutscher einen
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