Die Schöne des Herrn (German Edition)
möglich.«
»Hör nicht auf diese Unverschämten!«, rief Saltiel, der sich nicht länger zurückhalten konnte. »O ihr Verfluchten, o ihr Gemeinen, von welchen Müttern ohne jedes Benehmen stammt ihr ab und wo glaubt ihr euch zu befinden? In einem Bahnhofsbuffet oder in einem Wirtshaus? Sol, vergib ihnen, aber ein Kaffee für jeden ist genug! (Die Arme verschränkt und sich ganz zu Hause fühlend, musterte er die Flegel mit verächtlichen Blicken.) Himbeersaft, ich glaube es nicht! Eigelb! Gegenwert! Und dieser Infame, dieser echte Freimaurer mit seinem Schinken!«
»O Tigerherz«, murmelte Eisenbeißer. »Ein unschuldiges kleines Breakfast, und er reißt es mir aus dem Mund!«
Ein paar Minuten später stellte Miss Wilson – der Solal die Tapferen mit großem Zeremoniell, den jeweiligen Verwandtschaftsgrad angebend, vorgestellt hatte – fünf Tassen Kaffee vor diese schockierenden Personen und ging wortlos wieder hinaus, mit weniger Daseinsberechtigung denn je, so dass Eisenbeißer sich zu fragen erlaubte, wo bei dieser unbestreitbaren Jungfrau die Vorderseite und die Rückseite war. Worauf Saltiel ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Das war das letzte Mal, dass er diesen Teufel an respektable Orte mitnahm! Der Teufel, der sich von Solals Lächeln ermutigt fühlte, schlug die Beine übereinander, um seine Lackschuhe zur Geltung zu bringen, roch an seiner Gardenie, strich sich den Bart, wobei er sich die Finger schwarz machte, und ergriff das Wort.
»Liebe Exzellenz«, fragte er mit schlauer und anzüglicher Miene, »gäbe es bei Ihnen eventuell einen freien Posten für einen wirklich fähigen Kabinettschef?«
»Alles in allem«, sagte Solal, »wären Sie der intelligenteste, den ich je hatte.«
»Abgemacht, Exzellenz!«, unterbrach ihn Eisenbeißer und stand auf. »Ich nehme die Stelle an! Stimmen die Wünsche überein, so ist der Vertrag perfekt und für beide Teile bindend, wenn auch vorerst nur mündlich! Dafür bin ich Ihnen zutiefst dankbar! Die Bestätigung können Sie mir nach Belieben zukommen lassen, denn ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Aufrichtigkeit und Ihr Wort! Bis gleich also, liebe Exzellenz«, sagte er und ging zur Tür, »und seien Sie versichert, dass ich mich Ihres Vertrauens würdig erweisen werde!«
»Wo willst du hin, Unglückseliger?«, rief Saltiel und verstellte ihm den Weg.
»Ich will meine Ernennung der Presse bekanntgeben«, erwiderte Eisenbeißer, »mit meinen Untergebenen Bekanntschaft schließen, mir einen Überblick verschaffen, Meinungen austauschen, Anweisungen erteilen, Empfehlungen versprechen und ein paar kleine Gebühren erheben!«
»Ich verbiete dir, den Raum zu verlassen! Sol, hindere diesen Mann daran, deinen Namen zu beschmutzen! Erkläre ihm, dass er nicht ernannt worden ist! Kabinettschef, ich glaube es nicht! Ist dir nicht klar, dass er hier alles zerstören wird? Setz dich, du Sohn Satans! Sol, überall, wo dieser Mensch hingeht, ist der sofortige Bankrott unabwendbar! Versprich mir, dass du ihn nicht ernennen wirst!«
»Das kann ich nicht versprechen, denn ich habe ihn bereits ernannt«, sagte Solal, um Eisenbeißer immerhin ein bisschen Trost zu lassen. »Aber da es Ihr Wunsch ist, mein Onkel, entlasse ich ihn hiermit.«
Eisenbeißer wünschte Saltiel leise eine Wundrose an den Hals, tröstete sich dann jedoch mit dem Gedanken an die Visitenkarten, die er schleunigst bestellen und auf denen »Ehemaliger Kabinettschef des Völkerbundes« stehen würde! Er verschränkte die Arme und blickte nun seinerseits Saltiel verächtlich an, während Solal lächelnd etwas aufschrieb – denn er hatte ein Mittel gefunden, Saltiels letzte Jahre zu verschönern.
»Onkel, könnte ich Sie im Namen des Völkerbundes mit einer offiziellen Mission betrauen?«
Saltiel erbleichte. Doch er bewahrte seine Würde und erwiderte, er stehe gern und jederzeit einer Organisation zur Verfügung, die er seit langem schätze, und falls seine beschränkten geistigen Fähigkeiten und so weiter. Kurz, er war mit seiner Antwort sehr zufrieden. Nach einem gleichgültigen Blick auf Eisenbeißer, dem friedlichen Blick des erfolggewöhnten Mannes, den nichts erschüttern konnte, fragte er mit klopfenden Herzen, worin diese Mission denn bestehe. Daraufhin wurde ihm erklärt, der Rabbiner von Lausanne habe soeben dem Sekretariat mitgeteilt, er organisiere eine Reihe von Vorträgen über den Völkerbund. Der erste finde bereits heute Nachmittag um halb fünf statt, und es sei doch eine
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