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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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wiegende femme fatale mit einem einladenden Hinterteil und einer kleinen Stenographiermaschine. Sie setzte sich und wartete, wobei sie mit ihren langen Wimpern klapperte und ihren Rücken straffte, um für alle Fälle ihre Brüste zur Geltung zu bringen.
    »Sind Sie bereit?«
    »Ich bin immer bereit«, sagte sie lächelnd.
    »Der Brief geht an Madame Adrien Deume in Cologny.«
    Während des Diktats blickte die klimpernde Prinzessin ihn die ganze Zeit lächelnd an, um ihm ihre Meisterschaft in der Stenotypie zu beweisen, aber auch, da sie auf eine Beförderung erpicht war, um ihm zu zeigen, dass sie ihm für alle nicht-stenotypistischen Arbeiten zur Verfügung stehe. Währenddessen nahm Eisenbeißer die Haltung des Ehrenmannes an, der sich zwingt, nicht zuzuhören. Zu diesem Zweck verharrte er, den Blick zur Decke gerichtet, seinen grauen Zylinder in der Hand, in würdiger, verständnisvoller, feierlicher und diskreter Reglosigkeit. Aber natürlich ließ er sich kein einziges Wort des Diktates entgehen.
    Nachdem es beendet war, bat Solal die Prinzessin, ihm den geschriebenen Brief durch Saulnier bringen zu lassen. Wütend, es nicht selbst tun und noch einmal mit wiegenden Hüften vor ihm erscheinen zu dürfen, lächelte sie charmant, ging hüftwackelnd zur Tür und beschloss zwei Dinge: erstens, dieses Ehepaar Deume, mit dem der Untergeneralsekretär sich so gut stand, zu ihrem nächsten Cocktailempfang einzuladen, und zweitens, von nun an besonders nett zu dem kleinen Deume zu sein, wenn er sie zum Diktat rufen würde.
    »Hoheit«, hob Eisenbeißer aufs neue an und fächerte sich mit seinem Zylinder Luft zu, »könnte ich, der ich Sie einst in ihrer frühesten Kindheit gerührt in meinen Armen hielt, nicht wenigstens dank Ihrer Großzügigkeit irgendein Privileg erhalten, einen Diplomatenpass oder einen Sonderpassierschein? Oder könnte ich vielleicht ebenfalls mit einer Mission beauftragt werden, die ich mit der Würde des Elefanten, der garantiert reinen Treue eines loyalen Hundes und der Schnelligkeit eines gehetzten Hirsches oder auch der Wendigkeit des von unserer Religion verbotenen Aals – der immerhin anständig geräuchert vorzüglich schmeckt – durchführen könnte? Beispielsweise, lieber Neffe meines intimen Freundes Saltiel, wäre ich gern bereit, persönlich dieser Madame Deume den Brief zu überbringen, den Sie soeben diktiert haben, dessen Inhalt mir jedoch, da ich mich zwang, nicht zuzuhören, gänzlich unbekannt ist! Ganz nach Ihrem Belieben, Hoheit! Damit ich ebenfalls eine kleine Mission hätte! Haben Sie Mitleid, lieber Glaubensgenosse, lassen Sie menschliche Solidarität nicht ein leeres Wort sein! Hohe Exzellenz, ein unvorhergesehenes dringendes Bedürfnis meiner Eingeweide zwingt mich, mich Ihnen in aller Eile zu empfehlen. Bis gleich, und mit meiner allergrößten Hochachtung«, sagte er lächelnd, verneigte sich anmutig und ging hinaus, sich unauffällig den Bauch mit beiden Händen haltend.
    Ein paar Minuten später war er mit einigen neuen Argumenten zurück und fand Solal über den Brief gebeugt, den Saulnier ihm gerade gebracht hatte. Er blieb stehen und wartete diskret, plötzlich betrübt bei dem Gedanken, dass der König von England wahrscheinlich bald nicht mehr Kaiser von Indien sein würde. Wie schade, ein so schöner Titel! Ein unverschämter Kerl, dieser Gandhi, aber was konnte man auch schon von einem Menschen erwarten, der fast nie Nahrung zu sich nahm? Nachdem Solal unterschrieben hatte, hob er den Kopf.
    »Der Aufstand der Gedärme ist Gott sei Dank niedergeschlagen, Hoheit. Übrigens war es falscher Alarm, die Därme täuschen manchmal. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, dem Völkerbund zu diesen prächtigen, behaglichen und wahrhaft bezaubernden Toiletten zu gratulieren! Ach, wenn wir ebensolche in Kephalonia hätten, ich würde mein Leben darin verbringen! Doch nun möchte ich Ihnen in kurzen Worten den ergreifenden Schluss meiner Rede vortragen! Hoheit, bedenken Sie, dass ich, wenn ich nach Kephalonia zurückkehre und man mich fragt, was ich in Genf vollbracht habe, vor Verlegenheit tot umfallen werde! Denn was könnte ich schon erzählen, wenn ich bei der Wahrheit bleiben will? Nichts, Hoheit! Nichts!«, wiederholte er und nahm seine Stirn zwischen beide Hände. »Als ich, weil ich in dem mir auferzwungenen Müßiggang vor Langeweile Trübsal blies, vorgestern nach Bern fuhr, dieser kleinen Hauptstadt voller riesiger, schwarz gekleideter Frauen, die gewaltige

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