Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
Vom Netzwerk:
das er ebenso rasch leerte, wie er es füllte, feierliche Ansprachen hielt und sogar zweimal den lieben Mylord unter den Armen kitzelte. Ein solches Fest hatte er noch nie erlebt, ganz neue Horizonte taten sich vor ihm auf. Und falls Antoinette plötzlich auftauchen sollte, würde er sie mit ein paar Stockschlägen zur Raison bringen!
    »Auf, mein Freund«, rief Eisenbeißer und umarmte ihn, »trinken wir tapferen Herzens und genießen wir die kurze Zeit unseres Lebens! Weg mit den rassistischen Vorurteilen! Ich bin sogar bereit, den Herrn Jesus, Sohn der Frau Maria, zu preisen, unter der Bedingung, dass du, mein guter Hippolyte, deinerseits den Herrn Moses preist, den intimen Freund Gottes! Mit einem Wort, die Christen sollen hochleben, denn es ist etwas Gutes an ihnen! Worauf wir, die wir zwar von verschiedener Religion, aber geschworene Freunde bis in den Tod sind, trinken und singen und uns herzlich umarmen wollen, denn dieser Tag ist ein Festtag, und die Freundschaft ist das Salz des Lebens!«

XXVI

    Am selben Nachmittag versammelte Benedetti, der Leiter der Informationsabteilung im Sekretariat des Völkerbundes, bei seinem monatlichen Cocktailempfang etwa fünfzig seiner lieben Freunde. Von den wenigen Ideen, die das kleine Gehirn Benedettis barg, war am festesten diejenige verankert, dass es im Leben vor allem darauf ankomme, viele gute Beziehungen zu haben, alle Einladungen zu erwidern und sich keine Feinde zu machen. Daher die monatlichen Cocktailempfänge in seinem riesigen Salon. Riesig, ja, aber mit einem schrecklichen winzigen Schlafzimmer, dessen einziges Fenster auf einen finsteren Hof hinausging. Nur der Schein zählt.

    Beschlagene Gläser in der Hand und die schwimmenden Eisstücke darin betrachtend, wurden die wichtigen Gäste je nach Temperament wütend oder melancholisch, wenn sie im Vorbeigehen von einem weniger wichtigen Gast angesprochen oder mit Beschlag belegt wurden, der ihnen weder bei ihrem gesellschaftlichen noch ihrem beruflichen Aufstieg von Nutzen sein konnte. So standen sie mit leerem Blick herum, in irgendwelche strategischen Überlegungen vertieft, taten so, als hörten sie der Nervensäge zu, die sich, über ihren Fang erfreut, charmant und sympathisch zeigte, und ertrugen diese unproduktive Gesellschaft nur vorübergehend in Erwartung von etwas Besserem, nämlich dem vielversprechenden Fang irgendeines Höhergestellten. Sie ertrugen sie nur, weil sie ihnen ein vorübergehendes Gefühl von Macht und liebenswürdiger Verachtung vermittelte, oder weil sie ihnen Haltung verlieh und sie vor der Einsamkeit schützte, die als noch gefährlicher galt, als wenn man im Gespräch mit einem Untergebenen gesehen wurde, denn niemanden zu kennen war die größte gesellschaftliche Sünde. Im Übrigen brachte es einen nicht gleich in Misskredit, mit einem weniger Hochgestellten zu plaudern, sofern man es verstand, eine gönnerhafte und hinreichend zerstreute Miene aufzusetzen, womit man zu verstehen gab, dass die kleine Plauderei von Wohlwollen zeugte. Allerdings durfte man es nicht übertreiben und musste ein solches Gespräch schnell beenden und sich unverzüglich wieder in einem Gespräch mit einem Vorgesetzten rehabilitieren. Deshalb hatten die Wichtigen, während sie immer wieder ein vages »Ja, ja, gewiss« murmelten, wachsame und flinke Augen, überblickten die summende Menge und ließen, ohne es sich anmerken zu lassen, periodisch die Augen im Kreis umherschweifen, wie das Feuer eines Leuchtturms, in der Hoffnung auf den guten Fang, den großen Fisch, den Oberwichtigen, an den sie sich so schnell wie möglich heranmachen konnten.

    Hinter dem Lachen, dem Lächeln und den jovialen Scherzen verbarg sich tiefer Ernst, eine Mischung aus Unruhe und Vorsicht, denn jeder Gast suchte verbissen seine mondänen Interessen zu wahren. Das Eis in seinem Glas schüttelnd oder sich zu einem Lächeln zwingend, obwohl man in Wirklichkeit in trüber Stimmung war und angewidert von jenem unvermeidlichen Untergebenen, der einem auf die Nerven ging, hielt jeder Wichtige sich sprungbereit, um sich endlich liebevoll einem Oberwichtigen zu nähern, den man endlich erspäht hatte, der aber leider bereits von einer Nervensäge mit Beschlag belegt wurde, dem verhassten Rivalen, und ließ die erhoffte Beute nicht aus den Augen, während man weiter so tat, als hörte man dem Bedeutungslosen zu, stets auf dem Quivive, mit berechnendem und zerstreutem Blick, bereit, den Mann der niedrigen Kaste nach einem eiligen

Weitere Kostenlose Bücher