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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Ansicht?«
    »Ich habe Sie nicht recht versstanden«, sagte Herr Deume mit einem verwirrten Lächeln, das dem Gentleman gefiel und für das er mit einem Schlag auf die Schulter belohnt wurde.
    »Keine Angst, mein Kleiner, wir englischen Aristokraten haben nun mal die reizende Schwäche, plötzlich und unwillkürlich in jene Sprache zu verfallen, die Shakespeare berühmt machte, die ungebildete Menschen jedoch nicht verstehen. Seien Sie also meiner Nachsicht gewiss, und kommen wir zur Sache. Hier entnehme ich den Rockschößen meines Fracks einen Brief meines Herrn, der Fürst in seinem Palast ist und dessen stolzer Vasall ich bin. Sie können aus dem offiziellen Umschlag die erhabene Herkunft desselben ersehen, die durch das in luxuriösem Prägedruck erscheinende Wort Völkerbund bezeugt wird! Betrachten Sie ihn, aber rühren Sie ihn nicht an! Wie Sie sehen, ist er an Madame Adrien Deume adressiert. Da somit die Wahrhaftigkeit meiner Person erwiesen ist, teilen Sie bitte dieser Dame mit, dass ich hier ihr persönliches Erscheinen erwarte, um ihr das Schreiben protokollgemäß zu treuen Händen zu übergeben und zugleich gepflegt etwas mit ihr zu plaudern. (Von sich selbst ganz bezaubert, fächelte er sich Luft mit seinem Tennisschläger zu.) Nun los, holen Sie sie herbei, ohne weiteres Zögern!«
    »Es tut mir sehr leid, mein Herr, aber sie ist aus dem Haus gegangen, um Besorgungen zu machen.«
    »Sehr gut, dann werde ich mir nach Überprüfung der Lage weiteres vorbehalten. Schließen wir erst einmal Bekanntschaft. Wer sind Sie? Ein Oberkellner im Negligé?«
    »Ich bin Herr Deume, also der Swiegervater«, lautete die furchtsame Antwort, auf die ein Schlucken folgte.
    »Ach? Ein Mitglied der Familie? Irgendwelche Orden?«
    »Ich bedaure, ich habe keine«, sagte der kleine Alte, befeuchtete sich die Lippen und versuchte beschämt zu lächeln.
    »In der Tat bedauerlich«, stellte der Großkreuzträger fest. »Ich will Ihnen trotzdem vertrauen und übergebe Ihnen den Brief für die charmante Person namentlich bezeichneten Geschlechts. Sobald sie zurück ist, übergeben Sie ihn ihr, ohne ihn zu beschmutzen, und es ist zwecklos, ihn in ihrer Abwesenheit durch ungesetzliche und der öffentlichen Ordnung zuwiderhandelnde Eingriffe zu öffnen. Verstanden?«
    »Ja, mein Herr.«
    Eisenbeißer betrachtete den kleinen reglos und ehrerbietig vor ihm stehenden Mann, der den Umschlag aus Angst, ihn zu beschmutzen, mit den Fingerspitzen hielt. Was sollte er jetzt tun? Ihn um zehn Franken für die Rückfahrt im Taxi anpumpen, indem er erklärte, dass eine Person von hohem Rang nie Bargeld bei sich tragen dürfe, weil so etwas unter ihrer Würde sei? Nein, dieser arme Alte war zu nett. Plötzlich regte sich ein Gedanke im tiefen Gewässer seines Geistes. Um ihn zu ermutigen, an die Oberfläche zu steigen, rieb er kräftig die Furche seines Schädels, und da war er auch schon, triefend und schön.
    »Die Überreichung des Briefes ist nur der erste Teil meiner Mission«, sagte er. »Es kommt noch besser. Denn da mein Lehnsherr aus Gründen der Staatsräson neulich Abend nicht zu Ihnen zum Essen kommen konnte, wie er mir in vertraulichem Gespräch mitteilte, da ich ja sehr intim mit ihm bin, hat er mich zugleich auch mit dem Kosten beauftragt gemäß den Gewohnheiten der großen Welt, so wie Sie es in den Werken über Etikette in dem Kapitel ›Über den bevollmächtigten Vorkoster‹ nachlesen können. Kurz, seine Hoheit hat mich, den Obengenannten, mit einer Essvertretung und einem Verkostungsmandat betraut, was in gemeiner und vom Plebs besser verstandener Sprache bedeutet, dass ich mich an seiner Stelle hier ein wenig verköstigen solle, um ihm dann einen entsprechenden Bericht zu erstatten. Das ist in den autorisierten Kreisen und unter wohlinformierten Quellen so üblich. Mein Herr wollte mich eigentlich schicken, um am Mittagstisch teilzunehmen, was passender gewesen wäre, aber wir wurden im letzten Augenblick aufgehalten durch die Pflicht, den armen Kaiser von Äthiopien, der heiße Tränen weinte, zu trösten. Seien Sie übrigens beruhigt, ich werde mich nur symbolisch stärken. Aber natürlich, Schwiegervater, falls Sie über Imbisse durch einen bevollmächtigten Stellvertreter nicht auf dem laufenden sind oder Geiz verspüren, kann ich auch sehr gut mit leerem Magen gehen. Es war von meinem Herrn ja nur als Freundlichkeit gedacht, um Ihnen eine Ehre zu erweisen. Jetzt haben Sie das Wort!«
    »Ich bin sehr bewegt, Herr

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