Die Schöne des Herrn (German Edition)
Ergebnis zufriedenstellend, so lud der weniger Gleichgestellte der beiden den anderen zu sich ein oder versuchte ihn einzuladen, um sein Kapital an Bekanntschaften zu vermehren, aber auch und vor allem, denn die Gesellschaftsmenschen sind unersättlich, um seinerseits wieder bei seinem Gesprächspartner eingeladen zu werden und dort andere Gleichgestellte kennenzulernen oder, besser noch, Ranghöhere, die er dann einladen oder einzuladen versuchen würde, in der oben erwähnten Absicht und so weiter.
Keines dieser bekleideten und mit zwei Daumen versehenen Säugetiere war auf der Suche nach Verständnis oder Zärtlichkeit. Alle waren sie nur von dem brennenden Wunsch beseelt, sich wichtige Beziehungen zu schaffen, an deren Quantität und Qualität sie ihre eigene Bedeutung maßen. So nahm ein konvertierter und homosexueller Jude (der die Verwandtschaftsgrade, Verbindungen und Krankheiten all jener kannte, die in der hohen europäischen Gesellschaft etwas zählten, in die er nach zwanzig Jahren strategischer Manöver, Schmeicheleien und hinuntergeschluckter Beleidigungen endlich Eingang gefunden hatte) mit Entzücken zur Kenntnis, dass sein Gesprächspartner eine »so reizende und so musikalische« Königin im Exil bei sich empfangen hatte. Nachdem er seine neue Bekanntschaft situiert und für nützlich, folglich für einladungswürdig befunden hatte, lud er sie ein. Mit solchen Erbärmlichkeiten verbringen diese Unglücklichen, die so schnell krepieren und stinkend unter der Erde verfaulen werden, ihre Zeit.
In dieser Voliere machte das Sexuelle zuweilen dem Gesellschaftlichen den Vorrang streitig oder drängte es sogar ein wenig oder ganz in den Hintergrund. So bemühte sich in einer diskreten Ecke ein kahler Botschafter (der vierzig Jahre lang seinen Vorgesetzten schmeichlerische Lakaiendienste geleistet hatte, um allmählich aufzusteigen und schließlich verwelkt und voller Darmbazillen an Bedeutung zu gewinnen) eifrig um eine junge Dolmetscherin, eine viersprachige Idiotin, deren Brüste noch nicht herabhingen und die ein Paar grotesker Pobacken unter ihrem bewusst viel zu engen Rock zur Schau trug, und gerade das war der Lebenszweck dieser charmanten Kleinen, die jetzt lachend dastand, bezaubert vom Bewusstsein ihrer vorübergehenden Macht. Denn die Wirkung des Sexuellen ist flüchtig, die des Gesellschaftlichen dagegen unumschränkt und von Dauer.
Eine auf Beziehungen und Persönlichkeiten erpichte griechische Journalistin spielte die Geistreiche und Enthemmte, sagte »guten Tag, Cousine« zu einer russischen Prinzessin, um mit ihr vertraut zu erscheinen, rief dann dem Korrespondenten der
Times
»guten Tag, großer Mann, ich fand Ihren Artikel von gestern fabelhaft« zu und strich daraufhin um zwei Gesandte herum, die sich sehr wichtig vorkamen. Der kahle Botschafter hatte inzwischen ein Rendezvous mit der Trägerin der dicken Pobacken ausgemacht und hörte nun mit ernster Miene dem Schweinchen Croci, einem kleinen bevollmächtigten Gesandten, zu. Er hasste diesen unverschämten Kerl, der sich unberechtigterweise als Exzellenz titulieren ließ, spielte den Zerstreuten, um ihn zu zwingen, seine Frage zu wiederholen, und nachdem er ihn derart gedemütigt hatte, antwortete er mit übertriebener Höflichkeit oder stellte statt einer Antwort eine Frage zu einem ganz anderen Thema. In ihrer Nähe schimpfte eine unaufhörlich lächelnde rothaarige, schlaffe Kuh leise mit ihrem Mann, einem großen, verängstigt dreinblickenden Affen mit krausem Haar und gebeugtem Rücken, dem sie vorwarf, sich nicht getraut zu haben, einen Hochkommissar anzusprechen, der jetzt von Mrs. Crawford mit Beschlag belegt wurde, einer amerikanischen Milliardärin, der es in wenigen Monaten gelungen war, dank einer raffinierten Küche alle großen Namen der internationalen Politik in ihren Salon zu locken, denn man braucht den Wichtigen nur etwas Gutes zum Essen anzubieten, und schon kommen sie angerannt. Die Gräfin Groning zeigte freundlich ihre Zähne, streckte eine zielsichere Hand aus, ließ ein gutturales »guten Tag« vernehmen und fragte, ganz versessen auf Geheimnisse, den charmierten Benedetti, ob es wahr sei, dass der englische Delegierte während der Geheimsitzung des Rates mit der Faust auf den Tisch geschlagen habe. Als dieser bejahte, schloss sie in einem politischen Orgasmus die Augen und kostete die vertrauliche Mitteilung voll aus. Eine dicke Libanesin, Käuferin eines vertrottelten Ehemannes, aber immerhin ein Baron de
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