Die Schöne des Herrn (German Edition)
Kabinettssef«, sagte der kleine Alte, der sich wieder einigermaßen gefasst hatte.
»Sie können mich einfach Mylord nennen.«
»Ich bin sehr bewegt, Mylord, und vielen Dank, aber leider bin ich ganz allein zu Hause, die beiden Damen sind ausgegangen, und seit gestern haben wir auch kein Dienstmädchen mehr, sie musste nach Hause zurückkehren, weil sie krank war, so dass ich leider gezwungen bin, Sie, was den Imbiss betrifft, um etwas Geduld zu bitten.«
»Trauriger mondäner Empfang«, sagte Eisenbeißer und bewegte energisch seinen kleinen Finger im Eingang seines Ohrs. »Mein Lieber, ich stelle fest, dass Sie große elegante Gesellschaften nicht gewohnt sind, aber das macht nichts, und ich bin nachsichtig. Lassen Sie mich also Ihre ungeschulten Schritte lenken und gehen wir gemeinsam in die Küche, um zu sehen, was es dort gibt. Meine Exzellenz pfeift auf Etikette und wird Ihnen nach Kräften beistehen, denn die Aristokraten verstehen sich immer gut mit den Leuten aus dem Volk. Verjagen Sie also die schwarzen Gedanken, und stellen wir uns ein völlig ungezwungenes Five-o’clock-Menü zusammen. Aber bringen Sie mir meinen Zylinder, denn es ist kalt in diesem tristen Flur.«
Mit dem Zylinder auf dem Kopf betrat er die Küche, gefolgt von Herrn Deume, dem er befahl, sich zu setzen, während er prüfend um sich blickte. Nachdem er den Frack ausgezogen hatte, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, die Brust aber immer noch mit der großen Schärpe der Ehrenlegion geschmückt, ging er zum Kühlschrank und versuchte ihn zu öffnen. Herr Deume erklärte sogleich, nicht ohne eine gewisse Verlegenheit, seine Gemahlin habe ein Schloss anbringen lassen und trage den Schlüssel stets bei sich. Er bedauere es wirklich zutiefst. Eisenbeißer, der einiges ahnte, tröstete ihn mit einem Klaps auf die Wange und sagte, man würde sich auch so zu behelfen wissen.
»Seien Sie unbesorgt, mein Lieber, ich werde suchen und auch finden. Ich bin es gewohnt.«
Der gefoppte kleine Seehund saß also auf einem Stuhl und folgte mit den Blicken dem Großkreuzträger, der, vor sich hin pfeifend, die Küche einer methodischen Durchsuchung unterzog, Schubladen und Schränke öffnete und nacheinander seine Funde verkündete. Drei Büchsen Sardinen! Eine mit Thunfisch! Recht gewöhnlich als Vorspeise, aber besser als gar nichts! Ein ganzes Brot! Kokoskekse! Ein Glas Marmelade! Eine Büchse Kutteln nach Mailänder Art! Eine mit Cassoulet!
Was für ein Abenteuer, dachte Herr Deume. Natürlich waren die reichen, adligen Engländer alle exzentrisch, das hatte er immer schon gehört. Und dieser Herr war zwar exzentrisch, aber jedenfalls bedeutend, das konnte man deutlich sehen, an seiner Art, an seiner Sprechweise, und außerdem trug er den gleichen Orden wie der Präsident der Republik. Also ihn gewähren lassen und ihn nicht ärgern, denn das könnte Didi schaden. Doch aufregend war es gewiss.
»Verzeihen Sie, Mylord, ich bin gleich wieder da.«
»Gehen Sie nur, mein Lieber, lassen Sie sich Zeit. Ich werde inzwischen die Kutteln und das Cassoulet warm machen.«
***
Auf dem, was er das stille Örtchen nannte, dachte Herr Deume nach. In der Tat, was für ein Abenteuer. Ein Original gewiss, aber trotzdem nett, denn er nahm die Dinge von der guten Seite und wollte helfen. Und doch ein Herr der Hautevolee, stolz und auch wieder nicht, der einem über die Verlegenheit hinweghalf. Er hätte nie gedacht, dass ein englischer Lord mit Kutteln und Cassoulet umzugehen und alle Schränke zu durchsuchen vermochte, und das alles in bester Laune. Ja, diese Engländer! Ein Imbiss mit Konserven, das war schon komisch. Aber die Engländer liebten ja ein ausgiebiges Frühstück, und vielleicht galt das auch für den Imbiss. Ein Imbiss durch einen bevollmächtigten Stellvertreter, auch das war komisch, aber man wusste ja zur Genüge, dass hohe Persönlichkeiten sich bei Beerdigungen, bei Hochzeiten und bei Banketten vertreten ließen, das hatte er häufig in der Zeitung gelesen. Trotzdem hätte dieser Herr besser daran getan, gestern Abend als bevollmächtigter Stellvertreter zu kommen, da hätte er alles bereit gefunden, es wäre nicht so improvisiert gewesen wie heute. Aber natürlich waren diese wichtigen Herren so beschäftigt, dass sie alles immer ganz schnell machten, wenn sie gerade Zeit hatten. Wenn Antoinette doch nur den Schlüssel des Kühlschranks dagelassen hätte, dann könnte er diesem Herrn wenigstens den Rest des Kaviars anbieten. Aber soll er
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