Die Schöne des Herrn (German Edition)
Marketenderin auf ihre gewaltige Hüfte stützte. Ein auf Neuigkeiten erpichter Journalist hatte sie gehört, zuckte zusammen, sprang davon, um diesen tollen Scoop gleich durchzutelefonieren, und stieß in seiner Eile mit einem alten Universitätsprofessor aus Zürich zusammen, der in seinem Wunsch, noch vor seinem Tod das rote Band der Ehrenlegion zu ergattern, dem französischen Kulturattaché auflauerte, den wiederum Madame Petresco, um ihren gesellschaftlichen Rang zu zeigen, mit einem »comment allez-vous« begrüßte, wobei sie wie Lady Cheyne den Verbindungskonsonanten nicht aussprach. »Gegen wen hat er sich verheiratet?«, fragte die griechische Journalistin, um sich amüsant und pariserisch zu geben, die Baronin de Moustier, doch die machte ein griesgrämiges Gesicht, ließ diese kleine Intrigantin, die für sie gar nicht existierte, links liegen und wandte den Blick nicht von der unnahbaren Lady Cheyne, der die Gräfin Groning gerade voller Begeisterung von Lord Balfour erzählte. Was für ein wunderbarer Mensch, dieser liebe Arthur, und wahrhaftig, was für ein großer Mann, sie habe eine herrliche Woche bei ihm in Schottland verbracht. Ja, heute Abend würde sie mit ihm und Anna de Noailles dinieren, ein Genie diese liebe Anna, und eine so bezaubernde Freundin!
Vier Gäste, die sich ihrer Bedeutungslosigkeit bewusst waren, trauten sich nicht einmal, auch nur den Versuch zu machen, Beziehungen anzuknüpfen. Wie Geächtete blieben sie unter sich und sprachen leise miteinander. Sie wussten, dass sie auf ewig Parias waren, hüteten sich jedoch, es sich einzugestehen, und bildeten eine kleine spöttelnde und desillusionierte Gruppe. Um sich moralisch überlegen zu fühlen, machten sie in ihrer Katastrophenecke ironische Kommentare über die glanzvollen Gäste, die sie so beneideten. Diese traurigen Aussätzigen, Zyniker wider Willen, eine kleine Mischpoke in einer Ecke in der Nähe eines Fensters, die sich fröhlich gaben und sich mit Sandwiches vollstopften, waren obskure Untergebene von Benedetti: die mit einem Ekzem behaftete Sekretärin der Informationsabteilung, der portugiesische Archivar, der belgische Commis und eine Schreibkraft, die wie eine fette kleine Bisamratte aussah. Benedetti hatte sie eingeladen, weil es auch zu seinen Prinzipien gehörte, dass ein Chef sich bei seinen Mitarbeitern beliebt machen müsse, und seien diese noch so gering. Er lud diese vier Ausgestoßenen übrigens nur einmal im Jahr ein und zweifelte nicht daran, dass sie sich aus ihrer Ecke beim Fenster nicht herausbewegen würden.
Um sich zu trösten, sprach die mit einem Ekzem behaftete Sekretärin wieder einmal von ihrem Vater, der einst irgendwo in Japan Konsul gewesen war und in dieser Eigenschaft die Ehre gehabt hatte, ein Akademiemitglied namens Farrère zu beherbergen, dessen gesammelte Werke sie sich in der Folge in Leder hatte binden lassen. Zwei- oder dreimal in der Woche kam sie mit ihrem Vater, dem Konsul, und seinem Akademiemitglied Farrère daher. So hat jeder von uns sein kleines Prestigepferdchen, auf das er sich schwingt, sobald er kann, oder seine kleine rettende Krone, die er sich bei jeder Gelegenheit schleunigst aufsetzt.
Der Unglücklichste unter den Gästen war Jacob Finkelstein, Doktor der Sozialwissenschaften, ein kleiner Hungerleider und schlecht bezahlter Korrespondent einer jüdischen Presseagentur. Benedetti lud auch ihn einmal im Jahr ein, um es sich nicht mit den Zionisten zu verderben, deren Einfluss in den Vereinigten Staaten er wie jeder Antisemit krankhaft übertrieb. So lud Benedetti zu jedem Cocktailempfang einen Unmöglichen ein, den man dann vor einem Jahr nicht wiedersah. Auf diese Weise verdünnt, schadeten die Unmöglichen nicht dem, was Benedetti, der sich für einen Literaten hielt, das Klima seines Cocktailempfangs nannte.
Kein Gast sprach mit Finkelstein, dieser gesellschaftlichen Null, die niemandem nützen und, was noch schlimmer war, niemandem schaden konnte. Nicht gefährlich, also uninteressant, man brauchte ihn nicht zu schonen und nicht zu lieben oder angeblich zu lieben. Selbst die vier Parias in der Fensterecke blieben auf Distanz zu diesem degradierenden Kastenniedrigsten. Von allen ignoriert und ohne einen einzigen Artgenossen, spielte dieser arme Aussätzige den Eiligen, um sich Haltung zu geben, und seine Teilnahme an dem Cocktailempfang bestand darin, sich in regelmäßigen Abständen mutig seinen Weg durch die schnatternde Menge zu bahnen. Gesenkten Hauptes,
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