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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Antoinette, was machen wir jetzt mit diesem Greyerzer, der keinen Gesmack hat?«
    »Du bringst ihn einfach in den Laden zurück«, sagte sie, ohne das Aufschneiden der Seiten zu unterbrechen. »Ich habe keine Lust, ein Pfund Greyerzer ohne Geschmack zu behalten. Und lass dir das Geld zurückgeben, zwei Franken fünfundsiebzig.«
    »Aber er wird mich böse anssauen, wenn ich ihn zurückbringe.«
    »Hippolyte, sei gefälligst ein bisschen männlich.«
    »Könntest du denn nicht gehen?«
    »Nein. Ich habe wieder mal ein steifes Bein.« (Wenn sie keine Lust zum Arbeiten hatte oder es vorzog, anderen eine unangenehme Aufgabe zu überlassen, spürte sie stets, wie ihr rechtes Bein steif wurde.)
    »Dann könnten wir doch die Putzfrau hinssicken, die morgen früh bei uns anfängt?«
    »Nein, du wirst gehen«, sagte sie, kraulte das kleine Haarbüschel, das aus ihrem Leberfleck am Kinn wuchs, und seufzte zufrieden auf. »Ich muss sagen, dass ich recht froh bin, diese arme Martha losgeworden zu sein. Wer weiß, wohin uns das mit den Rückenschmerzen noch gebracht hätte!«
    »Hör mal, mir wäre es ehrlich gesagt lieber gewesen, wir hätten sie hier behalten, bis sie wieder gesund ist, mit Arzt und allem.«
    »Aber, mein armer Freund, bei uns wäre sie nie gesund geworden. In solchen Fällen braucht man die Familie. Doch, doch, die Ruhe im Schoß ihrer lieben Familie, die sie pflegen und verwöhnen wird, das arme Ding. Die Gemütsverfassung ist nun einmal äußerst wichtig für das Körperliche. Wenn sie guter Dinge ist, werden ihre Wirbel viel schneller wieder in Ordnung kommen. Und falls sie sich operieren lassen muss, ist es doch nur recht und billig, dass die Familie die Verantwortung übernimmt. Ärgerlich ist nur, dass wir uns mit dieser Putzfrau begnügen müssen, bis Mariette zurück ist. Ich muss sagen, dass Mariettes Telegramm mich sehr enttäuscht hat. Wir hatten ausgemacht, dass sie bis zum ersten Juli freinimmt, um ihre Schwester zu pflegen. Und worum haben wir sie denn schon in unserem Telegramm gebeten? Dass sie zwanzig Tage vor dem vereinbarten Datum zurückkommt, wegen Marthas Wirbel.«
    »Aber es ist doch wegen der Lungenentzündung ihrer Swester.«
    »Mit diesen Dienstboten ist es immer das Gleiche. Ich finde es einen Mangel an Takt und Ergebenheit, angeblich hängt sie doch so sehr an Adriens Frau, nachdem sie so viele Jahre bei diesem Fräulein Valérie d’Auble gedient hat, da hätte sie schon etwas gefälliger sein können. Übrigens frage ich mich, ob ihre Schwester wirklich so krank ist. Die Leute aus den niederen Schichten sind so wehleidig, sie können keinen Schmerz ertragen. Ich habe ja auch Bronchitis gehabt, und ich habe mich nicht so angestellt.«
    »Aber ihre Swester hat eine doppelte Lungenentzündung.«
    »Bronchitis und Lungenentzündung ist ein und dasselbe. Aber reden wir nicht mehr davon, ein solcher Mangel an Gewissenhaftigkeit ist mir unverständlich. Also lass uns wirklich von etwas anderem reden. Um auf den berühmten Brief dieses Herrn Solal zurückzukommen, je mehr ich darüber nachdenke, finde ich ihn eigentlich gar nicht so liebenswürdig. Erstens ist er an sie gerichtet, aber ich denke, es hätte sich gehört, dass er mir schreibt, aber lassen wir das. Doch davon mal abgesehen gefällt mir der ganze Ton nicht. Dieser Anfang, erinnerst du dich? Einfach nur Entschuldigungen, nicht einmal aufrichtige, wie es sich gehört. Und dann dieses ›sie den Ihren übermitteln‹, das ist eine Anspielung auf mich und dich. Er hätte mich ruhig namentlich erwähnen können, schließlich habe ich am Telefon mit ihm gesprochen. Und dann spricht er von einem plötzlichen Unwohlsein, ohne weiter darauf einzugehen. Das ist ein ziemlich starkes Stück, finde ich, was meinst du?«
    »Tatsache ist …«, sagte Herr Deume.
    »Und dann bedauert er zwar, hat sich aber nicht einmal die Mühe gemacht, ›lebhaft‹ hinzuzufügen.«
    »Ja, gewiss«, sagte Herr Deume.
    »Und schließlich endet er mit Hochachtung, schreibt aber nicht vorzügliche Hochachtung. Natürlich ist der Brief an eine junge Frau gerichtet, aber trotzdem. Und diese Art, sie zum Diner einzuladen, in sein Hotel, und gleich ein Datum festzusetzen, Freitag, den 8. Juni, um acht Uhr, also übermorgen. Als ob er sagen wollte, kommt oder kommt nicht. Was sagst du dazu?«
    »Ich sage, dass er eben eine hochgesstellte Persönlichkeit ist, und da ergibt sich das zwangsläufig.«
    »Das weiß ich wohl«, seufzte sie. »Aber was willst du,

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