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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Kinderstube bleibt Kinderstube. Und uns nicht einzuladen, findest du das etwa normal?«
    »Er weiß vielleicht nicht, dass wir mit Didi zusammenleben.«
    »Er weiß es ganz genau! Wo ich mich doch an dem Abend am Telefon vorgestellt habe, und ich habe sogar gesagt, dass mein Mann und ich, na ja, irgendetwas in dieser Art. Im Grunde ist es mir ja egal, weil ich es gewohnt bin, mich zu opfern, und übermorgen wären wir ohnehin abgereist, außerdem Hotelküche, danke schön, aber es ist einfach das ganze Benehmen. Nun ja, wenigstens hat er sich entschuldigt, und der Schein ist gewahrt.«
    »Und außerdem war er es, der Didi zur Beförderung verholfen hat.«
    »Er hat ihm nur Gerechtigkeit widerfahren lassen, das ist alles. (Um dieser Behauptung Nachdruck zu verleihen, machte sie sich wieder gierig an ihre Strickarbeit. Nachdem sie die Reihe beendet hatte, kratzte sie sich mit der freien Nadel im Ohr.) Und was Didis Frau betrifft, das war ein Strohfeuer, weiter nichts! All ihre schönen Vorsätze haben sich in Luft aufgelöst! Angeblich wollte sie Besorgungen für ihn machen, ihm die Hosen bügeln und so weiter, aber davon ist keine Rede mehr! Gestern hat sie den ganzen Nachmittag ein Sonnenbad im Garten genommen, und jeder, der vorbeikam, konnte sie sehen! Das wird uns einen schönen Ruf bei den Nachbarn einbringen! Und ich habe festgestellt, dass in dem Buch
Wache und Bete
, das ich ihr geschenkt habe, keine einzige Seite aufgeschnitten ist! Es hat sich weiß Gott gelohnt, dass ich ihr meine Kammer unten überließ, damit Madame sich einen Salon einrichtet! Ihren Privatsalon, hast du Worte! Und dazu war sie nicht zu faul, o ja, da konnte sie sich plötzlich beeilen und sich ihren Salon ganz schnell einrichten, mit all dem Trödel ihrer Tante, den ich um nichts in der Welt haben möchte! Ein ganz abgetretener Teppich! Sogar ihr Klavier hat sie herunterbringen lassen! Auf Didis Kosten natürlich! Und wenn ich sie freundlich lächelnd frage, wie es um ihr seelisches Wohl bestellt ist, antwortet sie nicht mal. Eine unverschämte Göre! Und du sagst gar nichts?«
    Das Telefon läutete im Erdgeschoss. Hocherfreut über die Ablenkung stürzte er aus dem Zimmer. Als er wiederkam, ganz außer Atem, weil er drei Stufen auf einmal genommen hatte, verkündete er, es sei Madame Ventradour. Sie eilte hinunter.
    Kaum war die Tür zu, ließ er sich in einen Sessel sinken. Ein wahrer Segen, dieser Anruf. Wenn er ein wenig länger dauerte, würde sie das auf andere Gedanken bringen, und vielleicht würde sie dann nicht mehr von Ariane sprechen. Sollte er nur Antoinette zu Gefallen schlecht über sie reden? Nein, das konnte er nicht! Ariane war gestern so nett zu ihm gewesen, als sie, kurz nachdem der englische Herr gegangen war, nach Hause gekommen war, und sie hatte die Dinge so tüchtig in die Hand genommen, hatte schnell die leeren Konservenbüchsen versteckt, schnell die Küche in Ordnung gebracht und war schnell mit dem Taxi in die Stadt gefahren, um die gleichen Konserven und die gleichen Flaschen Bordeaux wieder zu besorgen! Und dann hatte sie ihm den guten Rat erteilt, nur zu sagen, man habe diesen Brief gebracht, und weiter nichts. Gott sei Dank war Antoinette erst spät von der Gantet nach Hause gekommen. Was hätte er ausstehen müssen, wenn sie sie überrascht hätte, den englischen Herrn und ihn, mit Bordeaux, Kutteln und Cassoulet, und noch dazu singend! Sehr nett, dieser Herr, sie hatten einen angenehmen Augenblick miteinander verbracht, und sie hatten sich zum Abschied sogar umarmt. Im Grunde hatte er noch nie in seinem Leben einen echten Freund gehabt. Er würde ihn gern wiedersehen, nur er war eben ein Mylord, viel zu hochgestellt für ihn. Nun ja, trotzdem eine schöne Erinnerung, dieser Imbiss. Er schnäuzte sich, betrachtete sein Taschentuch, faltete es zusammen und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Ja, einen magnetischen Schraubenzieher sollte er sich besorgen, das wäre sehr praktisch. Was hatte sie der Ventradour nur so lange zu erzählen? Er öffnete leise die Tür, lehnte sich über das Geländer und lauschte.
    »Wie schade, meine Liebe, dass Sie den Vortrag von Jeanne Gantet versäumt haben, sie ist eine so intellektuelle Person und so schlagfertig, sie weiß auf alles eine so glänzende Antwort. Sie sprach also zu uns über die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Religion, lauter Dinge, an die man gewöhnlich gar nicht denkt, wie zum Beispiel das Telefon, das uns gestattet, im Falle einer

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