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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Herzens und war schon gestern bereit zur Abreise, mit Hippolyte natürlich, der ohne mich nicht auskommen kann, aber vor übermorgen gibt keine Schlafwagenplätze. Für eine Reise über Nacht nehme ich immer den Schlafwagen, das ist ein Prinzip in unserer Familie. Wir haben also zwei Plätze reserviert für den Zug am Freitagabend neunzehn Franken fünfundvierzig, Pardon, neunzehn Uhr fünfundvierzig, mit dem wir, wenn Gott will und wenn nichts dazwischenkommt, am Samstagmorgen um acht Uhr fünfzig in Brüssel ankommen. Wir werden vielleicht drei Monate bleiben, vielleicht auch weniger, alles hängt vom Verlauf der Krankheit ab, jedenfalls soll die liebe Kranke, wie der Arzt meint, spätestens Ende August wieder abfliegen. So bleibt also alles noch im ungewissen, in den Händen Desjenigen, für den alles gewiss ist. Jedenfalls kann ich die liebe Élise, übrigens eine geborene van der Meulen, die mit der großen Zuckerraffinerie, nicht in einer solchen Notlage lassen. Ach ja, eine Krankenschwester wird trotzdem da sein, ich werde ihr vor allem geistig beistehen und der Krankenschwester Anweisungen erteilen. Ich werde die Zeit nutzen, um all meine begonnenen Strickarbeiten zu beenden, vor allem die Socken für meinen Mann, der sie so wahnsinnig schnell abnutzt, ich weiß wirklich nicht, wie er das anstellt. Wie bitte? Nein, nach der Ferse stricke ich die Füße in zwei Teilen, bis zum Abnehmen, ich mache also zwei Teile in der gewünschten Länge, denn verstehen Sie, da der Ristteil selten abgetragen ist, brauche ich nur den Sohlenteil zu ersetzen und dann entsprechend abzunehmen, das spart mir Zeit und Wolle. Aber sagen Sie, meine Liebe, mir fällt plötzlich ein, dass ich Sie noch so gern vor unserem Kaviar sehen würde, Pardon, ich habe mich versprochen, ich meine, vor unserer Abreise. Würden Sie uns das Vergnügen machen und morgen, Donnerstag, zum Lontsch kommen? Es passt Ihnen morgen nicht? Dann wenigstens am Freitag, dem Tag unserer Abreise? Sie sind bereits zu Mittag verabredet? Ja also, dann kommen Sie doch zum Abendessen. Ach, das freut mich aber sehr! Aber bitte, meine Liebe, kommen Sie recht früh, damit wir noch Zeit für einen Gedankenaustausch haben, da unser Zug um neunzehn Uhr fünfundvierzig abfährt, also um Viertel vor acht. Kommen Sie um vier Uhr, ja? Punkt halb sechs setzen wir uns zu Tisch, wir verbinden den Nachtmittagsimbiss mit dem Abendessen und essen, was gerade da ist, in Anbetracht der Umstände. Also dann bis Freitag, meine Liebe, ich freue mich sehr, und nochmals vielen Dank für die gute Idee mit dem Kopfkissenbezug für die Feinwäsche, ich habe es bereits ausprobiert, es ist einfach wunderbar als Schutz! So, und nun noch herzliche Grüße von Hippolyte, der mir gerade ein Zeichen gibt, dass ich es Ihnen sagen soll. Ich würde Ihnen auch gerne Grüße von meinem Adrien ausrichten, wenn er da wäre, aber die Wahrheit geht über alles, nicht wahr, meine Liebe? Na, sagen wir, wenn er da wäre, würde er mich sicher bitten, Ihnen seine herzlichsten Grüße auszurichten. Und jetzt lasse ich Sie, meine Liebe, also bis übermorgen um vier, ich freue mich schon, und inzwischen, meine Liebe, ein strahlendes Lächeln.«

***

    Wieder zurück in ihrem Zimmer, setzte Frau Deume sich auf den Voltairesessel und nahm ihre Strickarbeit wieder auf, ließ sie aber sofort sinken und blickte ihren Gemahl, der zusammenzuckte und ein unschuldiges Gesicht aufsetzte, aus ihren hellblauen Augen an.
    »Hast du Didis Gesicht heute früh gesehen? Oh, natürlich hat er versucht, es vor mir zu verbergen, aber ein Mutterherz lässt sich nicht täuschen! Dieses traurige Gesicht, ich weiß sehr wohl, was los ist, glaub mir! Weil sie ihn gestern nicht auf den großen Empfang bei diesem Herrn Benedetti begleiten wollte! Tja, eine reizende Person! (Sie biss mit einem unheimlichen Krachen von erschreckender Ichbezogenheit in eine Brezel.) Ich garantiere dir, dass Madame, falls sie sich bequemt, zum Essen herunterzukommen, kein Wort sagen wird, wenn ich ihr erzähle, dass Emmeline Ventradour übermorgen zu einem vorgezogenen Abendessen zu uns kommt, nur, um zu zeigen, dass es die Prinzessin nicht interessiert! (Sie saugte zwitschernd die Brezelreste aus den Zähnen.) Jedenfalls kannst du mir glauben, dass das Ventradoursche Landhaus schon von der Größe des Besitzes her etwas anderes ist als das Landhäuschen ihrer Tante, das uns übrigens vor der Nase weggeschnappt wurde, da der Onkel es geerbt hat, um meinen armen

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