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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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»die durch die vergangenen Erfahrungen vollauf gerechtfertigte dringende Notwendigkeit konkreter Maßnahmen«, »die in Bezug auf den Nutzen des geplanten Programms zu erbringenden Beweise«, »die praktisch nicht bestehenden Schwierigkeiten«, »die in letzter Zeit im Rat gehaltenen äußerst ermutigenden Reden«, und so weiter, wobei das Ganze noch mit wirren und widersprüchlichen Vorschlägen gespickt wurde, gewissenhaft notiert von der Stenografin, die gar nichts mehr verstand, denn sie war intelligent.
    Plötzlich trat Schweigen ein. Man hatte so viel Staub aufgewirbelt, dass man nicht mehr wusste, wo man eigentlich war und was man beschlossen hatte. Maxwell rettete die Situation, indem er die übliche Bequemlichkeitslösung vorschlug, nämlich »die Bildung einer Arbeitsgruppe, die eingehend die Situation analysieren und einer später ad hoc zu bildenden Kommission, bestehend aus Delegierten der Regierungen, ein spezifisches Vorprojekt aus konkreten Vorschlägen präsentieren soll, das die großen Linien eines langfristigen Programms systematischer und koordinierter Maßnahmen zur Förderung der Ziele und Ideale des Völkerbundes umreißt«.
    Erbost darüber, nicht selbst auf diese Idee gekommen zu sein, und bemüht, sich ins rechte Licht zu setzen, schlug van Vries vor, auf der Grundlage der eben stattgefundenen Debatten und der gefassten Entschlüsse einen Orientierungsbericht ausarbeiten zu lassen, »der für die zu bildende Arbeitsgruppe bestimmt ist und ihr als Richtlinie und Empfehlung dienen soll«. Stolz auf seine Hinterlist und hocherfreut, einem Konkurrenten eine Scheißarbeit aufhalsen zu können, schlug er weiterhin vor, Maxwell zu beauftragen, eiligst diesen Orientierungsbericht zu verfassen, und ihn anschließend Sir John zur Billigung vorzulegen.
    »Ausgezeichnet, wir sind uns also alle einig«, sagte Solal und biss sich erneut auf die Lippe. »Maxwell, machen Sie sich bitte gleich an die Arbeit. Meine Herren, ich danke Ihnen.«
    Wieder allein, stellte er sich vor, was nun geschehen würde. Maxwell würde Mossinsohn, der provisorisch der Abteilung für Planung und Beziehungen zugeteilt war, zu sich rufen und ihm sagen, das stenografische Protokoll der Sitzung enthalte alle nützlichen Elemente zur Ausarbeitung eines Orientierungsberichts, die Arbeit sei eigentlich bereits getan und Mossinsohn brauche nur noch ein bisschen Ordnung hineinzubringen und alles zusammenzufassen. Kurz, es sei eine Arbeit von höchstens ein, zwei Stunden. »Machen Sie sich bitte gleich an die Arbeit«, würde er dann seinerseits schließen, »das ist ein Klacks, aber seien Sie vorsichtig, achten Sie auf die politischen Aspekte des Problems und die nationalen Empfindlichkeiten, bleiben Sie vage, schreiben Sie nichts, was den Regierungen missfallen könnte, formulieren Sie so behutsam und taktvoll wie möglich, und bringen Sie es mir gleich morgen früh in mein Büro.« Und der unglückliche Mossinsohn würde sich die Nacht um die Ohren schlagen und viele Tassen starken Kaffee dabei trinken. Er würde sich in den Widersprüchlichkeiten des Gesamtberichtes derart verheddern, dass er es schließlich aufgäbe, hinter die Geheimnisse zu kommen, und erfände, was die sechs Abteilungsleiter beschlossen hatten, und so aus seinem Gehirn einen anständigen Orientierungsbericht hervorzaubern würde. Kurz, es wäre wieder einmal der kleine Jude ohne Protektion, der Angestellte auf Zeit zu fünfhundert Franken im Monat, der Sir John Cheyne, K.C.B., K.C. V.O., seinen Entschluss diktieren würde.
    »Miss Wilson, rufen Sie van Vries zurück.«

***

    Der Leiter der Mandatsabteilung trat ein, ein hohes neurasthenisches Ross mit Mittelscheitel im rötlichen Haar, gebeugt und im voraus schuldbewusst, in der Furcht eines allzeit drohenden Verweises. Solal deutete auf einen Stuhl und fragte ihn, den Blick anderswo, ob er mit dem jungen Deume zufrieden sei. Van Vries täuschte einen Hustenanfall vor, um Zeit zu gewinnen und sich eine möglichst gefällige Antwort zurechtzulegen. Deume, den er wegen seines Rufs als schöngeistiger Mensch ebenso wie wegen seiner Faulheit und seiner Verspätungen hasste, war soeben auf direkte Weisung von oben zum A befördert worden. Folglich war dieser kleine Mistkerl höheren Orts gut angeschrieben. Folglich musste er Gutes über ihn sagen.
    »Ich bin sehr zufrieden. Ein ausgezeichneter Beamter, pünktlich, voller Initiative und im Umgang sehr angenehm.«
    »Schicken Sie ihn von Zeit zu Zeit auf

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