Die Schöne des Herrn (German Edition)
und ihm wahnsinnig gefallen. Nein, lieber kein Maxiton, vielleicht bekommt es mir nicht, einfach ein kleiner Whisky, um mir in den ersten zehn Minuten Mut zu machen. Das große gewidmete Foto werde ich hier auf den Schreibtisch stellen, und Vauvau wird mir aus der Hand fressen. Beim Diner nicht von Beförderung sprechen, auch nicht die geringste Andeutung, das wird er mir hoch anrechnen. Es ist in meinem Interesse, mich desinteressiert zu zeigen. So, mein Alter, genug geschwatzt. Im Vertrauen gesagt, du hast heute früh noch keinen Finger gerührt.«
Von Reue ergriffen, ließ er verträumt seinen geheimen Kreisel über die Tischplatte wirbeln, ließ seine Karneolkügelchen aneinanderschlagen und half sich über seine Melancholie hinweg, indem er seine Heftmaschine in Zeitlupe zusammendrückte, ohne das geringste Vergnügen allerdings, denn sein Nichtstun quälte ihn, und er suchte nach Rechtfertigungen. Es ließ sich nicht leugnen, es drückte ganz schön aufs Gemüt, an einem Donnerstag zu arbeiten. Denn der Donnerstag war praktisch schon das Ende der Woche, man hatte nicht mehr genügend Zeit vor sich, und das entmutigte. Aber jetzt hatte er noch eine gute Stunde vor sich, und er musste sich seine Brötchen verdienen, das war eine Frage der Berufsehre. Nachdem er seine Kugeln und seinen Kreisel zu seinen beiden Magneten – ein weiterer heimlicher Besitz und angenehmer Zeitvertreib – gelegt hatte, öffnete er die Kamerun-Akte.
»O Arbeit, heiliges Gesetz der Erde, Dein Wille ist nun offenbar«, deklamierte er und schraubte die Kappe seines Füllers ab.
Doch das Telefon klingelte. Vor Wut stieß er einen Fluch aus und schraubte den Füller wieder zu. Himmelherrgott, hatte man denn nie seine Ruhe in diesem Laden? Er riss den Hörer vom Apparat und meldete sich in schroffem Ton. Es war van Vries. »Ja, Herr van Vries«, sagte er sanftmütig, »ich komme.« Gerade in dem Augenblick, da ihm nach Arbeit zumute war, da er sich wirklich dranmachen wollte, störte man ihn! Ist es denn nicht möglich, in aller Ruhe seine Arbeit zu tun? So ein Drecksladen, weiß Gott!
»Wacht auf, Verdammte dieser Erde«, murmelte er, als er aufstand.
Was wollte dieser Vauvau schon wieder von ihm?, fragte er sich im Flur. Ihm den Kopf waschen? Er blieb stehen, knöpfte sich die Jacke auf und kratzte sich am Kopf. Vauvau hatte ihn sicher mit Kanakis in die Cafeteria gehen sehen. Verdammt, das war ihm jetzt herzlich egal! Morgen Abend dinierte er beim U.G.S.! Er knöpfte seine Jacke wieder zu und zog energisch an seinen Rockschößen. Und überhaupt, er war jetzt ein A. Doch als er vor der Tür seines Chefs stand, klopfte er leise und trat mit der Miene eines B ein.
»Setzen Sie sich«, sagte van Vries nach einem raschen Blick von unten, ohne den Kopf zu heben, und schrieb weiter.
Das war seine übliche Masche, damit wollte er sein Ansehen stärken, einen kleinen Sadismus befriedigen und sich an seinen Untergebenen für die ihm von seinen Vorgesetzten zugefügten Demütigungen rächen. Außerdem entschädigte ihn diese kleine gefahrlose Unverschämtheit dafür, nicht in die diplomatische Karriere eingestiegen zu sein. (Ach, wäre er doch nur Diplomat geworden, wie viele Broglies und Cholmondeleys hätten ihn dann mit der größten Selbstverständlichkeit empfangen!) Wenn er ein Mitglied seiner Abteilung zu sich rief, ließ er ihn stets absichtlich mehr oder weniger lange warten, je nach dem Charakter und den Beziehungen des Untergebenen, und der Vorwand war meist, dass er noch schnell eine Notiz auf dem Kommentarblatt einer Akte zu beenden habe. (Die Notizen Vauvaus erregten die Bewunderung der anderen Abteilungsleiter und brachten seine Mitarbeiter zur Verzweiflung. Denn er hatte es in der Kunst, nichts zu sagen, zu wahrer Meisterschaft gebracht. Dieser von pathologischer Vorsicht geplagte Beamte war imstande, Dutzende von Sätzen aneinanderzureihen, die auf den ersten Blick eine Bedeutung zu haben schienen, wenn man sie jedoch aufmerksam ein zweites Mal las, überhaupt nichts aussagten und ihn somit aller Verantwortung enthoben. Es war die besondere Begabung dieses Trottels, seitenlang nichts zu sagen.)
Heute früh hielt er es für ratsam, diesen kleinen Intriganten, der sich auf so mysteriöse Art die Sympathien der, wie er sie nannte, hohen Kreise erworben hatte, nicht lange warten zu lassen. Er legte seinen Füller hin, hob die kranken Glupschaugen, begrüßte freundlich lächelnd den kleinen Mistkerl, dem er die Demütigung
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