Die Schöne des Herrn (German Edition)
im Hotel, aber darüber habe ich mich noch nicht genau informieren können. Kurz und gut, wenn ich die beiden Dinge zusammenzähle, Esszimmer und persönlicher Kammerdiener, so gibt mir das die Quasi-Gewissheit, dass wir in seinem Appartement dinieren werden. Na ja, morgen Abend werden wir es wissen. Sag mal, Schatz, fühlst du dich auch wohl? Gut, umso besser. Jedenfalls musst du heute früh zu Bett gehen, damit du morgen in Hochform bist. Sag mal, hättest du nicht Lust, mich auf meiner Dienstreise zu begleiten? Paris, London, Brüssel! Syrien, Palästina, exotische Atmosphäre! Weißt du, mit meinen Reisespesen und den Repräsentationskosten könnten wir es fast ohne zusätzliche Ausgaben schaffen. Nein? Na schön, wie du willst, mir hätte es natürlich Freude gemacht, aber wie du willst. Also, ich leg jetzt auf, weil ich noch eine Menge Arbeit vor mir habe, deswegen werde ich hier zu Mittag essen, aber ich komme früh nach Hause, um gleich mit dem Kofferpacken anzufangen, denn Herr van Vries ist einverstanden, dass ich heute Nachmittag früher gehe, sobald ich das, was mir noch zu tun bleibt, erledigt habe. Also auf Wiedersehen und bis bald, Liebling.«
Er legte auf, ein kindliches Lächeln auf den Lippen. Donnerwetter, seit einiger Zeit hatte er ein unheimliches Schwein! Seit sieben Tagen A, morgen Abend ein Diner mit dem U.G.S. und um zwölf Uhr fünfzig Antritt der Dienstreise!
»In meinem Schlafwagen erster Klasse ziehe ich mir den Smoking aus, hänge ihn in meinen Schrankkoffer, damit er nicht zerknittert, schlüpfe in meinen Pyjama und lege mich in das Luxusbett! Und ein Einzelabteil, mein Alter! Ich bin eben kein armer Teufel! Ich bin ein König des Lebens!«
Er betrachtete den König des Lebens in seinem Taschenspiegel, schnitt ihm ein paar verliebte Grimassen, sagte ihm, er sei ein Schatz von einem Adrien, ein richtiger Schlingel, ein Erfolgsmensch erster Güte! Der einzige Haken waren die zwölf Wochen ohne sie. Er würde sie nicht sehen, wenn er abends ins Hotel zurückkehrte. Nun ja, drei Monate vergingen schnell. Und da wäre ja die Heimkehr, sie in seinen Armen, und er mit dem Ansehen des aus dem Nahen Osten zurückgekehrten Unterhändlers, braungebrannt und mit Lorbeeren bekränzt! Und inzwischen, an seinem ersten Abend in Paris, übermorgen also, im George V, würde er um acht Uhr abends mit einem guten Krimi zu Bett gehen und sich ein phantastisches Abendessen bestellen, nur Sachen, die er liebte, eine Vorspeisenplatte mit Andouille de Vire, dann gefüllte Schweinsfüße oder einfach nur gegrillt, das ist genauso gut, mit feinem Kartoffelbrei und Senfsauce und eine Menge anderer guter Dinge, und einen erlesenen Wein, von der Weinkarte, und zum Schluss einen großen Kuchen mit kandierten Früchten, und das alles im Bett serviert, denn sie hatten ja Spezialtische dafür, und das würde er alles genießen, während er seinen Krimi las! Das große Leben! Er stand auf und drehte sich zweimal um sich selbst, um seine Dienstreise richtig ins Blut zu kriegen.
»Und jetzt wird gefuttert, ich sterbe vor Hunger. Also los.«
Er eilte mit großen Schritten über den Flur und fühlte sich federleicht vor Glück und Herr der Welt. Menschenskind, wenn ein hohes Tier einen aus eigener Entscheidung zum A beförderte und obendrein noch ganz spontan zum Diner einlud, dann gab es keinen Zweifel, das war der Beweis, dass ein Funke übergesprungen war! Plötzlich sah er sich am reich gedeckten Tisch von morgen Abend, zur Linken des U.G.S., sah sich als glänzenden Plauderer, als Charmeur, lässig eine Zigarre in der Hand, bewundert von seinem Boss, der beeindruckt war von dem, was er ihm über Proust und Vermeer erzählte. Wer weiß, eines Tages würde er »lieber Freund« oder sogar ganz einfach »Solal« zu ihm sagen, ganz ungeniert, bei einem Glas altem Cognac und einer dicken Zigarre. »Sagen Sie mal, Solal.« Jetzt konnte ihm dieser Vauvau mal im Mondschein begegnen! Vauvau dinierte nicht mit dem U.G.S.! Und auch die Literatur war im Grunde völlig unwichtig! War es nicht viel toller, ein Diplomat auf Dienstreise zu sein, mit privatem WC im George V?
Im Restaurant zuckten seine Lippen krampfhaft, als er sich mit erzwungener Ruhe bemühte, seinen Kollegen von seiner bevorstehenden Dienstreise zu erzählen. Er schüttelte Hände und empfand starke Freundschaft für die armen Kerle, die hier bleiben mussten, eingeschlossen in ihre kleinen Büros und gebeugt über ihre eintönige Arbeit, während er das große
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