Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
Vom Netzwerk:
fünfundvierzig, aber da Sie sich zu einem vorgezogenen Souper bereiterklärt haben, habe ich auf meinen üblichen Nachmittagsimbiss verzichtet, und ich muss sagen, der Magen hängt mir in den Kniekehlen. Und außerdem, wenn wir früh essen, haben wir danach Zeit für eine schöne Plauderei unter Frauen, während Hippolyte Ordnung macht. Es ist kurz vor fünf, und das Taxi ist für sieben Uhr fünfzehn bestellt. Wir haben also zwei Stunden für einen schönen Gedankenaustausch.«
    »Aber ich habe meinen Wagen da, meine Liebe, ich kann meinen Chauffeur bitten, Sie zum Bahnhof zu fahren, für mich ist es kein Umweg, denn ich fahre sowieso in diese Richtung. Natürlich könnte Ihr Gepäck die Sitzbezüge im Wagenfonds verschmutzen, aber das will ich gern in Kauf nehmen. Vielleicht werde ich mich eines Tages über mein Opfer freuen, jedenfalls will ich mir Mühe geben.«
    »Vielen Dank, meine Liebe, von ganzem Herzen Dank, aber das würde ich mir nicht verzeihen, und außerdem ist Ihr Wagen so alt, dass er unser Gewicht vielleicht nicht aushalten würde. Übrigens wird sich mein Didi, wenn er von der Dienstreise zurück ist, einen neuen Cadillac kaufen. Ja, ein prächtiger Wagen. Also, gehen wir zu Tisch. Sie müssen unseren Dienstbotenmangel entschuldigen, aber ich habe Ihnen ja bereits die Umstände erklärt, die arme Martha ist gegangen, Mariette hat uns im Stich gelassen, und die provisorische Putzfrau kann nur am Vormittag kommen. Deshalb steht schon alles auf dem Tisch, außer der Suppe. Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht, gehen wir zu Tisch. Hippolyte, reich der lieben Emmeline deinen Arm.«
    Frau Ventradour setzte sich voller Optimismus, legte die Diätgrissini, die sie mitgebracht hatte, die richtigen, die vom Familienbäcker, rechts neben sich, tätschelte sie zärtlich, lächelte mit ihrem Puppenmund und richtete ihren zu neuem Leben erwachten Blick auf die guten Dinge, die da ausgebreitet lagen. Frau Deume entschuldigte sich erneut, fast alles kalte Gerichte, wegen der Umstände, und schlug dann einen scherzhaften Ton an, als sie ihren Gemahl bat, ein bisschen das Serviermädchen zu spielen, was dieser sich nicht zweimal sagen ließ, denn er hatte bereits seine diesbezügliche Lektion erhalten.
    Als er mit der dampfenden Suppenterrine zurückkam, teilte er die Suppe aus und nahm sich mit vor Freude glänzenden Augen selbst eine doppelte Portion. Doch als er sich anschickte, den Löffel in die Suppe zu tauchen, schlug Frau Ventradour sich heftig mit der Hand an die Brust und stieß das Piepsen eines tödlich verletzten Vögelchens aus. Herr Deume begriff sofort und senkte beschämt den Kopf: Wie schrecklich, beinahe hätte er zu essen begonnen, ohne das Tischgebet abzuwarten! Spontan wie immer, ergriff die liebe Emmeline die Hand ihrer lieben Antoinette.
    »Oh, Liebste, Verzeihung, Verzeihung! Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie gekränkt habe! Ich möchte Sie auf keinen Fall zu etwas zwingen, das Ihnen zuwider wäre!«
    »Aber meine Liebe, Sie wissen doch sehr gut, dass wir immer unser Tischgebet sprechen, wie könnte uns das zuwider sein, ganz im Gegenteil, und Gott sei Dank!«, erwiderte Frau Deume. »Der arme Hippolyte war nur ein bisschen zerstreut.«
    »Oh, verzeihen Sie mir, mein Lieber, verzeihen Sie!«, rief Frau Ventradour, zu Herrn Deume gewandt. »Verzeihen Sie mir, dass ich Sie gekränkt habe!«
    »Aber ich versichere Ihnen, Madame, nicht im geringsten.«
    »Oh, sagen Sie, dass Sie mir verzeihen! Ich hatte unrecht, und ich mache mir Vorwürfe deswegen! (Ihre Stimme wurde schmerzlich, sehnsuchtsvoll, sinnlich:) Aber es ist eine so große Freude für mich, Sie wissen es ja, nicht wahr, eine so große, o ja, Herr, mit Dir zu sprechen. (Sie bemerkte, dass sie ins Gebet abglitt, und verbesserte sich.) Eine so große Freude, mit Ihm zu sprechen, bevor ich esse, was Er mir in Seiner großen Güte beschert hat! Ihm Dank zu sagen tut mir so wohl«, seufzte sie mit bewegter Stimme. »Oh, vergeben Sie mir, vergeben Sie mir, dass ich Sie gekränkt habe!«
    »Aber, aber, liebe Freundin«, sagte Frau Deume, die allmählich fand, dass Emmeline reichlich dick auftrug, »Sie haben niemanden um Verzeihung zu bitten!«
    Unerschütterlich und schmerzdurchdrungen fuhr Frau Ventradour mit ihrem Gerede fort, während Herr Deume seine jetzt weniger dampfende Suppe betrachtete, und bat erneut um Verzeihung, aber sie könne einfach nicht, sie könne nun einmal nicht essen, ohne vorher gebetet zu haben! Ohne den Beistand

Weitere Kostenlose Bücher