Die Schöne des Herrn (German Edition)
ist, desto herzlicher lacht man, und das Lachen ist nur eine Anerkennung der Macht.
Pavianismus und Anbetung der Macht auch der Snobismus, der dem Wunsch entspringt, sich der Gruppe der Mächtigen anzubiedern. Und wenn der Prince of Wales vergisst, den letzten Knopf seiner Weste zuzuknöpfen, oder wenn er, weil es regnet, die Hosen hochkrempelt, oder wenn er, weil er ein Furunkel in der Achselhöhle hat, den Arm beim Händeschütteln in die Höhe hebt, dann lassen die kleinen Paviane sofort ebenfalls den letzten Knopf ihrer Weste offen, krempeln sofort ebenfalls die Hosen hoch und schütteln sofort ebenfalls Hände mit erhobenem Arm. Pavianismus die Anteilnahme an den idiotischen Liebesgeschichten der Prinzessinnen. Und wenn eine Königin ein Kind bekommt, wollen alle vornehmen Damen sofort wissen, wie viele Kilo das kleine Würmchen wiegt und welchen Titel es tragen wird. Unglaublich pavianisch auch dieser schwachsinnige sterbende Soldat, der darum bat, vor seinem Tod noch einmal seine Königin zu sehen.
Pavianisch die unwiderstehliche weibliche Lust, der Mode zu folgen, die nichts als ein Nachäffen der Klasse der Mächtigen ist und der Wunsch, zu ihr zu gehören. Pavianismus das Tragen des Degens bei Königen, Generälen, Diplomaten und sogar den Akademiemitgliedern, des Degens, der ein Zeichen der Macht zu töten ist. Gipfel des Pavianismus ist es, wenn sie, um Dem, der die größte Achtung verdient, ihre Achtung und Dem, der die größte Liebe verdient, ihre Liebe auszudrücken, Gott den Allmächtigen zu nennen wagen, was abscheulich ist und bezeichnend für ihre widerliche Anbetung jener Stärke, welche die Macht zu schaden und letztendlich die Macht zu töten ist.
Diese animalische Anbetung zeigt sich schon im Vokabular. Die mit mit dem Begriff Stärke verbundenen Worte drücken immer Ehrfurcht aus. Ein ›großer‹ Schriftsteller, ein ›gewaltiges‹ Werk, ›hohe‹ Gefühle, ›höhere‹ Inspiration. Immer das Bild des hochgewachsenen Kerls, des potentiellen Mörders. Die Adjektive, die Schwäche evozieren, sind dagegen stets verächtlich. Ein ›sensibles Pflänzchen‹, ›niedrige‹ Gefühle, ein ›schwaches‹ Werk. Und warum sind ›edel‹ oder ›ritterlich‹ Ausdrücke des Lobes? Ein aus dem Mittelalter ererbter Respekt. Als einzige Träger der wirklichen Macht, derjenigen der Waffen, verbreiteten die Edlen und Ritter Schrecken und Tod, sie waren also die, denen man mit Respekt und Bewunderung zu begegnen hatte. Die Menschen in flagranti ertappt! Um ihre Bewunderung auszudrücken, haben sie nichts Besseres als diese beiden Adjektive gefunden, welche die Feudalgesellschaft beschwören, in der Krieg, also Mord, das Ziel und die höchste Ehre im Leben eines Mannes waren! In den Heldenepen sind die Edlen und die Ritter unaufhörlich mit Töten beschäftigt, und man sieht nichts als Gedärme, die aus den Leibern quellen, gespaltene Schädel, aus denen die Hirnmasse tritt, und bis zum Schoß gespaltene Reiter. Wie edel! Wie ritterlich! Ja, in flagranti ertappt beim Pavianismus! Der körperlichen Stärke und der Macht zu töten haben sie die moralische Schönheit beigesellt!
Alles, was sie lieben und bewundern, ist Stärke und Macht. Gesellschaftliche Bedeutung ist Macht. Mut ist Macht. Geld ist Macht. Charakter ist Macht. Ansehen ist Macht. Schönheit, Zeichen und Beweis von Gesundheit, ist Macht. Jugend ist Macht. Aber das Alter, das Schwäche ist, das hassen sie. Die Naturvölker schlagen ihre Greise tot. Die heiratswilligen jungen Mädchen aus guter Familie weisen in ihren Annoncen darauf hin, dass sie direkte und baldige Aussichten haben, was bedeutet, dass Papa und Mama bald abkratzen werden. Gott sei Dank. Und auch ich habe einen Horror vor den alten Frauen, die sich in der Eisenbahn stets neben mich setzen. Sobald eine dieser bärtigen Hexen mein Abteil betritt, kann ich sicher sein, dass sie mich auserwählt, und dann setzt sie sich dicht neben mich, der ich sie schweigend hasse und so weit wie möglich von diesem abscheulichen und dem Tode so nahen Leib abrücke, und wenn ich aufstehe, versuche ich, ihr ganz aus Versehen ein bisschen auf die Hühneraugen zu treten.
Was man die Erbsünde nennt, ist nichts anderes als das undeutliche und schamhafte Bewusstsein unserer pavianischen Natur und ihrer schrecklichen Auswirkungen. Von dieser Natur zeugt auch, neben tausend anderen Dingen, das Lächeln, das eine tierische Mimik ist, die wir von unseren Vorfahren, den Primaten, geerbt haben.
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