Die Schöne des Herrn (German Edition)
Derjenige, der lächelt, gibt dem Hominiden zu verstehen, dass er friedlich ist, dass er ihn nicht beißen wird, und zum Beweis zeigt er ihm seine harmlosen Zähne. Die Zähne zeigen und sie nicht zum Angriff benutzen ist zu einem Friedensgruß, einem Zeichen von Güte geworden für die Nachkommen der Bestien aus dem Quartär.
Doch genug. Warum gebe ich mir so viel Mühe? Ich beginne die Verführung. Sehr einfach. Abgesehen von den beiden Anforderungen, die stimmen müssen, der körperlichen und der gesellschaftlichen, sind noch ein paar Spielchen nötig. Eine Frage der Intelligenz. Also, um ein Uhr früh Sie verliebt, und um ein Uhr vierzig Sie und ich Bahnhof für trunkene Abreise Meer Sonne, und im letzten Augenblick Sie vielleicht verlassen Bahnsteig Bahnhof, aus Rache für den Alten. Erinnern Sie sich an den Alten? Ich schlüpfe manchmal noch nachts in seinen Kaftan und verkleide mich als Jude meines Herzens, mit Bart und rührenden Schläfenlocken und Pelzmütze und schlurfenden Füßen und gekrümmtem Rücken und Regenschirm, alter Jude von tausendjährigem Adel, o geliebter Jude, Träger des Gesetzes, Israel Rettung bringendes Land, und gehe durch die nächtlichen Straßen, um mich verspotten zu lassen, stolz, von ihnen verspottet zu werden. Und jetzt die Spielchen.
Erstes Spielchen, das Frauenzimmer vorwarnen, dass man es verführen wird. Bereits geschehen. Das ist ein gutes Mittel, um sie daran zu hindern zu gehen. Sie bleibt aus Trotz und will der Niederlage des anmaßenden Kerls beiwohnen. Zweites Spielchen, den Ehemann niedermachen. Bereits geschehen. Drittes Spielchen, die Farce der Poesie. Den unverschämten Grandseigneur, den romantischen Außenseiter spielen, mit prächtigem Schlafrock, Rosenkranz aus Sandelholz, schwarzem Monokel, Appartement im Ritz und sorgfältig verborgenen Leberbeschwerden. Und das alles, damit die Idiotin daraus schließt, dass ich in die wunderbare Kategorie der Liebhaber gehöre, das Gegenteil des Abführmittel nehmenden Ehemanns bin, Versprechen auf ein herrliches Leben. Der arme Ehemann kann überhaupt nicht poetisch sein. Unmöglich, vierundzwanzig Stunden am Tag Theater zu spielen. Ständig ihren Blicken ausgesetzt, ist er gezwungen, er selbst und also kläglich zu sein. Alle Männer sind kläglich, auch die Verführer, wenn sie allein sind und nicht vor einer bewundernden Idiotin auf der Bühne stehen. Alle kläglich, und ich als Erster!
Nach Hause zurückgekehrt, wird sie ihren Mann mit dem Lieferanten von Pouahsie vergleichen, und sie wird ihn verachten. Alles wird ihr als Vorwand zur Geringschätzung dienen, sogar die schmutzige Wäsche ihres Ehemanns. Als ob ein Don Juan seine Hemden nicht waschen ließe! Aber die Idiotin, die ihn immer nur gleichsam auf der Bühne sieht, immer von seiner besten Seite, frisch gewaschen und herausgeputzt, bildet sich ein, er sei ein Held, der niemals seine Hemden schmutzig macht und nie zum Zahnarzt geht. Aber er geht zum Zahnarzt, genauso wie ihr Mann, nur gibt er es nicht zu. Don Juan, ein Schauspieler, immer auf der Bühne, stets getarnt, seine körperlichen Gebrechen verbergend und heimlich all das tuend, was ein Ehemann ganz offen tut. Aber da er es heimlich tut und sie wenig Phantasie hat, ist er für sie ein Halbgott. O die lüsternen, sehnsuchtsvollen Blicke der bald ehebrecherischen Idiotin, o ihr aufgerissener Mund, wenn sie den edlen Reden ihres Märchenprinzen lauscht, der ja auch seine zehn Meter Gedärm im Bauch trägt. O die in ein Anderswo, in den Zauber, in die Lüge vernarrte Idiotin. Alles an ihrem Mann geht ihr auf die Nerven. Sein Radio und seine harmlose Gewohnheit, sich dreimal am Tag die Nachrichten anzuhören, der arme Schatz, seine Pantoffeln, sein Rheuma, sein Pfeifen im Badezimmer, seine Geräusche beim Zähneputzen, seine unschuldige Manie der Kosenamen wie Schätzchen, Häschen oder einfach nur Liebling, was so schal schmeckt und sie aus der Haut fahren lässt. Denn Madame braucht fortwährend Erhabenes.
Sie ist also nach Hause zurückgekehrt. Eben noch schmückte der Verführer sie mit Girlanden, nannte sie Göttin der Wälder und wieder auf Erden weilende Diana, und jetzt verwandelt sie der Ehemann wieder in ein Häschen oder Mäuschen, und das ärgert sie. Eben noch hörte sie anmutig bezaubert dem Verführer zu, der sie mit erhabenen Themen fütterte, Malerei, Bildhauerei, Literatur, Kultur, Natur, und gab ihm reizend die Stichworte, kurz, zwei Schmierenkomödianten auf der Bühne, und jetzt
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