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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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fragt sie der arme Ehemann in aller Unschuld, was sie von dem Verhalten der Boulissons halte, die sie vor zwei Monaten zum Diner bei sich gehabt hatten, und seitdem nichts, Schweigen, keine Gegeneinladung. ›Und der Gipfel ist, ich habe gehört, sie hätten die Bourrassus eingeladen! Die Bourrassus, die sie durch uns kennengelernt haben, stell dir das vor! Ich finde, wir sollten den Kontakt abbrechen, was meinst du?‹ Und so weiter, einschließlich des rührenden ›weißt du, Schatz, es ist gut gelaufen mit dem Boss, er duzt mich‹. Kurz, nichts Erhabenes mit dem Ehemann, kein hochtrabender Gedankenaustausch über Kafka, und der Idiotin wird bewusst, dass sie ihr Leben mit diesem Schnarcher verpfuscht und dass sie ein Leben führt, das ihrer unwürdig ist. Denn eitel ist sie obendrein, die Amphore.
    Das Komischste ist, dass sie ihrem Mann nicht nur übelnimmt, dass er nicht poetisch ist, sondern auch und vor allem, dass sie sich in seiner Gegenwart nicht poetisch geben kann. Ohne es zu merken, nimmt sie ihm übel, dass er der Zeuge ihrer täglichen kleinen Kümmernisse ist. Beim Erwachen der Mundgeruch, der Wuschelkopf der zerzausten Clownin und der abgestumpften Pennerin und alles Übrige, vielleicht auch das Paraffinöl vom Vorabend oder die Pflaumen. In der Gemeinschaft mit der Zahnbürste und den Pantoffeln fühlt sie sich ihrer Krone beraubt, und dafür macht sie den Unglücklichen verantwortlich, der überhaupt nichts dafür kann. Dagegen welcher Triumphmarsch um fünf Uhr nachmittags, wenn sie gründlich geschrubbt mit Wasserwelle und ohne Schuppen, glücklicher und nicht weniger stolz als die Siegesgöttin von Samothrake, mit weitausholenden Schritten zu ihrem edlen geheimen Leberkranken eilt und Choräle von Bach singt, stolz darauf, bald vor ihrem Gedärmebesitzer die strahlend Schöne zu spielen und sich folglich mit dieser so gelungenen Wasserwelle als unbefleckte Prinzessin zu fühlen.
    Vom ersten Tag der Ehe an rasierten sich die strenggläubigen Jüdinnen den Schädel und setzten sich eine Perücke auf. Das gefällt mir. Keine Schönheit mehr, Gott sei Dank. Wenn ich dagegen die schönste Filmschauspielerin sehe, stelle ich mir, gerade, weil sie sich für unwiderstehlich hält und mit ihrem Hintern die Posen der großen Verführerin einnimmt und weil sie eben nur das ist, vor, wie sie, um sie für ihre Schönheit, das Horn des Teufels, zu bestrafen, sofort ein starkes Abführmittel bekommt und von heftigen Bauchschmerzen geplagt wird, und schon hat sie allen Glanz verloren, und ich will sie nicht mehr! Soll sie auf der Toilette sitzen bleiben! Aber eine Jüdin mit Perücke verliert niemals ihr Ansehen, denn sie hat sich auf eine Ebene begeben, wo die körperlichen Wehwehchen ihr keine Krone mehr rauben können. Ich habe den Faden verloren. Wo war ich mit der Idiotin stehengeblieben?«
    »Sie erkennt, dass sie ihr Leben verpfuscht hat.«
    »Gelobt seien Sie«, dankte er und fuhr sich mit zwei Fingern über die Nase, diesen edlen Krummsäbel, als wollte er einen Gedanken schärfen, und machte plötzlich ein gerührtes Gesicht. »Und doch gibt es nichts Größeres als die heilige Ehe, den Bund zweier Menschen, die nicht die Leidenschaft, welche nichts als Brunst und tierisches Gehabe ist und schnell wieder vergeht, vereint, sondern die Zärtlichkeit, das Spiegelbild Gottes. Ja, Bund zweier Unglücklicher, die der Krankheit und dem Tod versprochen sind und die sich die Gnade wünschen, gemeinsam alt und der einzige Verwandte des anderen zu werden. ›Deine Frau wirst du Bruder und Schwester nennen‹, sagt der Talmud. (Er bemerkte, dass er dieses Zitat gerade erfunden hatte, und fuhr vorsichtig fort.) Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, das Weib, das den Furunkel ihres Mannes ausdrückt, um zärtlich den Eiter herauszulassen, ist würdevoller und schöner als Anna Karenina mit ihren Hüftverrenkungen und Karpfensprüngen. Gelobt sei also der Talmud, und Schande über die Ehebrecherinnen, die in das animalische Leben vernarrt sind und die, Feuer unter ihren Röcken, ans Meer fahren. Ja, animalisch, denn Anna liebt den Körper des Dummkopfs Wronskij, und das ist alles, und all ihre schönen Worte sind nur hauchzarte Spitzen, die das Fleisch bedecken. Wie, man protestiert und schimpft mich einen Materialisten? Wenn nun aber Wronskij infolge eines Drüsenleidens fett geworden wäre, dreißig Kilo Fett am Bauch angesetzt hätte, das heißt dreihundert Buttertafeln zu hundert Gramm das Stück auf dem Bauch,

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