Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
Vom Netzwerk:
hätte sie sich dann bei der ersten Begegnung in ihn verliebt? Nur Fleisch also, und kein Wort mehr!
    Viertes Spielchen, die Komödie des starken Mannes. Oh, das widerwärtige Spiel der Verführung! Der Hahn kräht, damit sie weiß, dass er ein hartgesottener Bursche ist, der Gorilla trommelt sich auf die Brust, bumm, bumm, die Soldaten haben Erfolg. ›Die Offiziere kommen!‹, rufen die jungen Wienerinnen und richten sich schnell das Haar. Sie sind besessen von der Stärke und registrieren alles, was ihnen als Beweis dafür dienen kann. Wenn er dem Frauenzimmer direkt in die Augen schaut, ist sie köstlich verwirrt und schmilzt vor dieser lieben Drohung dahin. Lümmelt er sich rücksichtslos in einen Sessel, verehrt sie ihn. Wirkt er wie ein lakonischer englischer Forschungsreisender, der nur die Pfeife aus dem Mund nimmt, um kurz
›yes‹
zu sagen, hält sie dieses
›yes‹
für tiefsinnig und bewundert die Art, wie er auf seiner Pfeife herumkaut und den Saft auf widerliche Art einsaugt. Das ist männlich, und das erregt sie. Der Verführer kann Blödsinn verzapfen, soviel er will, aber wenn er ihn im Brustton der Überzeugung vorbringt, mit männlicher Stimme, das heißt mit sonorer Bassstimme, wird sie ihn mit feuchten Glotzaugen anstarren, als habe er eine noch allgemeinere Relativitätstheorie entdeckt. Alles registriert sie, die Art, wie der Kerl geht, wie er sich plötzlich umdreht, und daraus schließt ihr reizendes verführtes Innerstes, dass er Gott sei Dank aggressiv und gefährlich ist. Und zu allem Überfluss muss ich, um ihr zu gefallen, ihren Mann beherrschen und demütigen, trotz der Scham und des Mitleids, die ich dabei empfinde. Ja, ich habe Scham und Mitleid empfunden, als ich vorhin am Telefon mit ihm sprach, ich schämte mich meines erbärmlichen überlegenen Tons, der nur für Sie bestimmt war, dieses überlegenen Tons, den ich anschlagen muss, um den Ehemann in einen Zustand von Scheu und Schüchternheit zu versetzen und ihn in den Augen der Idiotin zu vernichten.
    Wenn ich einen Hund verführen will, brauche ich nur gut zu ihm zu sein. Er macht sich wenig aus meiner Stärke. Aber sie, nein, sie verlangen sie, sie wollen die liebe Gefahr. Ja, es ist das Gefährliche der Stärke, die Macht zu töten, das diese Pavianweibchen anzieht und erregt. Ich kannte ein junges Mädchen aus guter Familie, aus einer religiösen Familie mit hohen Gefühlen, ein ganz reines junges Mädchen, das für einen Musiker von hundertachtzig Zentimetern Länge entflammt war, der aber leider sanft und schüchtern war. Da sie ihn nicht in einen echten energischen Kerl verwandeln konnte, sich jedoch wünschte, sich immer mehr in ihn zu verlieben, versuchte sie ihm künstliche Männlichkeit einzuspritzen, um sich daran aufzugeilen und ihn noch mehr lieben zu können. So sagte sie ihm von Zeit zu Zeit auf ihren unschuldigen Spaziergängen: ›Jean, seien Sie entschiedener.‹ Und eines Tages schenkte sie ihm eine englische Pfeife, eine ganz kurze, wie die eines Seebären oder englischen Detektivs, und ließ ihm keine Ruhe, bis er sie sich in den Mund steckte vor ihr, die fast einen Orgasmus bekam und hochbefriedigt war. Die Pfeife erregte das arme Kind. Aber am nächsten Tag begegnete sie in einem eleganten Salon einem Karriereleutnant. Und als sie die Uniform und den Säbel sah, schmolz sie sofort vor Verliebtheit dahin, und das Blut klopfte heftig an die offene Tür ihrer Seele, und sie spürte, dass die Verteidigung des Vaterlandes noch besser besser sei als die Musik. Ein Säbel ist immerhin erregender als eine Pfeife.
    Stärke, Stärke, sie führen nur dieses Wort im Mund. Stärke, was ist das letztlich anderes als die alte Macht, vor hunderttausend Jahren den prähistorischen Kumpel im Urwald zu erschlagen? Stärke, die Macht zu töten. Ja, ich weiß, ich habe es bereits gesagt, aber ich wiederhole es und werde es noch auf meinem Totenbett wiederholen! Lesen Sie die Annoncen dieser jungen Damen aus guter Familie, gut aussehend, mit direkten und baldigen Aussichten, wie sie sagen. Lesen Sie, und Sie werden sehen, dass sie einen Herrn wollen, der nicht nur möglichst groß, sondern auch energisch ist und Charakter hat, und sie blicken ganz entzückt drein, als ob es schön und erhaben wäre, wo es doch in Wirklichkeit abscheulich ist. Charakter!« rief er schmerzerfüllt aus. »Charakter, sie geben es zu! Sie geben es zu, diese unverschämten Engelchen, dass sie einen starken und schweigsamen Kerl brauchen, mit

Weitere Kostenlose Bücher