Die Schöne des Herrn (German Edition)
dabei lächerlich vorkommen, lächerlich gemacht durch ihre Bewunderung. Ich sage diese Dinge nicht leichten Herzens. Wie gern hätte ich diese Zärtlichkeit von Männern empfangen, wie gern hätte ich einen Freund gehabt, ihn umarmt, wenn er kommt, und mich bis spät in die Nacht oder sogar bis zum Morgen mit ihm unterhalten. Aber die Männer lieben mich nicht, ich bin ihnen peinlich, sie misstrauen mir, ich gehöre nicht zu ihnen, sie spüren, dass ich allein bin. So musste ich diese Zärtlichkeit dort suchen, wo man sie mir gibt.«
Vor dem Spiegel des Kamins nahm er sein schwarzes Monokel ab, betrachtete die Narbe auf dem Augenlid und fragte sich, ob er seine dreißigtausend Dollar vor dieser Amalekiterin verbrennen sollte, um ihr eine Vorstellung vom Leben zu geben. Nein, sie lieber ganz allein verbrennen, an einem der nächsten Abende, zu seinem Vergnügen, nachdem er seine Schultern mit der langen rituellen Seide bedeckt hätte, die, fransengeschmückt und mit blauen Streifen, sein Zelt und seine Heimat war. Er drehte sich um und näherte sich der schönen Christin mit den langgeschwungenen Wimpern, die ihn stumm anblickte und ihr Wort hielt.
»Wie sie mich seit zwanzig Jahren mit ihren Pavianismen gequält haben! Pavianismen«, wiederholte er, noch im Banne des Wortes, plötzlich verblüfft vor dem Käfig eines Zoos stehend. »Schauen Sie sich den Pavian in seinem Käfig an, schauen Sie, wie männlich er sich gibt, um seinem Pavianweibchen zu gefallen, schauen Sie, wie er sich auf die Brust trommelt und Tamtam-Geräusche macht und wie er erhobenen Hauptes gleich einem Oberst der Fallschirmjäger einherschreitet. (Er ging im Salon auf und ab und hämmerte sich wie ein Pavian auf die Brust. Erhobenen Hauptes war er elegant und naiv, jung und fröhlich.) Anschließend rüttelt er an den Gitterstäben des Käfigs, und das dahinschmelzende und bezauberte Pavianweibchen findet, dass er ein starker Kerl ist, voller Selbstsicherheit, und dass er Charakter hat und dass man auf ihn zählen kann. Und je mehr er an den Gitterstäben rüttelt, desto stärker spürt sie, dass er eine schöne Seele hat, dass er moralisch sauber ist, ritterlich, treu und rechtschaffen, ein Ehrenpavian. Kurz, weibliche Intuition. Und nun nähert sich das bewundernde Pavianweibchen und wackelt mit dem Hintern, alle, selbst die Tugendhaften, legen großen Wert darauf, ihn zu zeigen, daher die engen Röcke, und sie schlägt keusch die Augen nieder und fragt den Pavian schüchtern: ›Lieben Sie Bach?‹ Natürlich hasst er Bach, diesen Roboter ohne Herz mit seinen mechanischen geometrischen Entwicklungen, aber um ihr zu gefallen und zu zeigen, dass er eine schöne Seele hat und aus einem vornehmen Pavianmilieu stammt, bleibt dem Armen nichts weiter übrig, als zu sagen, er liebe und verehre diesen Langweiler und seine nervtötende Musik. Sie sind schockiert? Ich auch. Und jetzt sagt das Pavianweibchen, den Blick immer noch gesenkt, sanft im Brustton der Überzeugung: ›Bach bringt uns Gott nahe, nicht wahr? Wie glücklich ich bin, dass wir den gleichen Geschmack haben.‹ Mit dem gleichen Geschmack fängt es immer an. Ja, Bach, Mozart, Gott, damit fangen sie immer an. Darüber lässt sich anständig Konversation machen, ein moralisches Alibi. Und vierzehn Tage später fliegender Trapezwechsel im Bett.
Das Pavianweibchen setzt also ihre gepflegte Konversation mit ihrem sympathischen Pavian fort, entzückt festzustellen, dass er auf allen Gebieten genau wie sie denkt, Bildhauerei, Malerei, Literatur, Natur, Kultur. ›Ich liebe auch die Volkstänze sehr‹, sagt sie alsbald und wirft ihm einen Blick zu. Was sind eigentlich diese Volkstänze, und warum lieben sie sie so? (Er hatte es so eilig zu reden und sie zu überzeugen, dass seine Sätze gegeneinanderstießen, fehlerhaft wurden.) Volkstänze, das sind Kerle, die sich heftig bewegen und damit zeigen, dass sie unermüdlich sind und hart und lange stoßen können. Natürlich gestehen sie sich nicht den wahren Grund ihres Gefallens daran ein, verschleiern ihn vielmehr ein weiteres Mal mit vornehmen Worten und erzählen dir, was ihnen an diesen Tänzen gefalle, sei die Folklore, die Traditionen, die Heimat, die Marschalle Frankreichs, das liebe Bauerntum, die Lebensfreude, die Vitalität. Vitalität, dass ich nicht lache! Man weiß, was Vitalität letztendlich bedeutet, und Michael könnte es besser erklären als ich.
Aber dann wird plötzlich ein noch größerer Pavian in den Käfig gebracht,
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