Die Schöne des Herrn (German Edition)
genießen zu können.
Mit zitternden Lippen bot sie ihm eine Tasse Tee an. Gleichmütig nahm er an. Steif und mit glühenden Wangen goss sie Tee auf das Tischchen, auf die Untertassen und sogar in die Tassen, entschuldigte sich und hielt ihm dann mit der einen Hand das Milchkännchen und mit der anderen die Zitronenscheiben hin. »Zilch oder Mitrone?«, fragte sie. Er lachte, und sie traute sich, ihn anzublicken. Er lächelte, und sie reichte ihm die Hände. Er ergriff sie und beugte das Knie vor ihr. Einer Eingebung folgend, beugte sie das Knie vor ihm und tat es mit einem so edlen Schwung, dass sie Teekanne, Tassen, Milchkännchen und alle Zitronenscheiben umstieß. Voreinander kniend, lächelten sie sich an, mit strahlend weißen Zähnen, Zähnen der Jugend. Voreinander kniend, waren sie lächerlich, waren sie stolz und schön, und das Leben war herrlich.
XLVI
Als er an einem anderen Abend schwieg, blieb sie brav und reglos sitzen und respektierte sein Schweigen. Als sie jedoch bemerkte, dass er sein leeres Zigarettenetui auf- und zuklappte, erhob sie sich und ging langsam zu dem Sekretär aus Rosenholz. Ihr Gang war harmonisch, denn sie wollte vollkommen sein.
Mit einer Zigarettenschachtel in der Hand, die sie aus dem Sekretär genommen hatte, kehrte sie gemessenen Schritts feierlich zu ihm zurück, kaum die Hüften bewegend. Armer Liebling, dachte er, den Blick gesenkt, was ihn aber nicht hinderte, sie zu sehen. Mit einem diskreten Lächeln legte sie die Schachtel mit den Abdullahzigaretten vor ihn hin und öffnete sie wie eine elegante Sklavin. Er nahm eine Zigarette, die sie mit dem goldenen Feuerzeug anzündete, das er ihr am ersten Abend geschenkt hatte. Anschließend kehrte sie, glücklich, ihm gedient zu haben, mit wieder zum Leben erwachten Hüften zu ihrem Sessel zurück. Sie setzte sich, schlug anmutig ihre edlen Beine übereinander, zog verschämt am Saum ihres Kleides und erstarrte in poetischer Pose. Ich liebe dich, dachte er, gerührt von ihrem bewegenden Bemühen, in seinen Augen Gnade zu finden.
Wie sie so dasaß und ihre schönen Hände betrachtete, nachdem sie den Saum des Kleides erneut hinuntergezogen und geglättet hatte, war sie der Inbegriff der Vollkommenheit. Doch gerade jetzt, da sie so vollendet war, machte sich zu ihrem Unglück ein Jucken in ihrer Nase bemerkbar, und sie spürte, dass sie niesen musste. »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte sie und eilte hinaus, ohne im geringsten an ihre Hüften zu denken.
Sie unterdrückte diesen unheilvollen Drang, nahm vier Treppenstufen auf einmal und kniff ihre Nase mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Als sie im ersten Stock war, trat sie rasch in das Zimmer der Deumes, schlug die Tür hinter sich zu und nieste viermal. Dann holte sie ein kariertes Taschentuch aus einer Schublade, schnäuzte sich diskret, um nicht gehört zu werden, und warf es nach der Benutzung unter das Bett. Doch wie sollte sie jetzt ihre Abwesenheit erklären? Sagen, sie habe sich schnäuzen müssen? Eher sterben! Sie drehte sich um sich selbst mit dem Blick eines gehetzten Tieres. Endlich sah sie auf dem Tisch vor einem Buch mit dem Titel
Die tausendundein Streiche des kleinen Pfiffikus
ein kleines Foto von sich in einem Lederrahmen. Sie nahm es an sich und ging nach einem prüfenden Blick in den Spiegel des Kleiderschranks hinaus.
»Ich habe ein Foto von mir geholt«, sagte sie, als sie in den kleinen Salon zurückkam. »Ich werde es Ihnen geben, wenn Sie gehen, aber Sie dürfen es erst zu Hause ansehen. So wird der Wagen Sie zu mir bringen.« Zufrieden mit ihrem Satz, atmete sie tief durch die Nase. Rehabilitiert und nicht ahnend, dass er ihr kräftiges Niesen gehört hatte, setzte sie sich wieder in poetischer Pose.
XLVII
Manchmal verbrachten sie ihre Abende bei ihm im Ritz. Sie liebte es, zu ihm zu gehen, die Erwartete zu sein und keine Verspätung ihres bösen Geliebten befürchten zu müssen. Im Taxi, das sie zu ihm brachte, träumte sie gern, sie sei Rotkäppchen auf dem Weg zum Wolf und müsse höllisch aufpassen, unterwegs nicht ihrer Großmutter zu begegnen.
In den frühen Morgenstunden zog sie sich wieder an, kniete am Fußende des Bettes nieder, wo er erschöpft von so viel Liebe schlummerte, und verzauberte ihn, wie sie sagte, verzauberte ihn mit keuschen Liebkosungen, meist an den nackten Füßen, geduldige, regelmäßige Liebkosungen, und es bewegte sie, sich als Sklavin zu fühlen, die vor dem Lager ihres Königs kniete. Sie verließ
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