Die Schöne des Herrn (German Edition)
große von geheimnisvollen Bäumen umgebene Wasserbassin, das alles schenke ich Ihnen, mein Geliebter, das alles gehört Ihnen, mein Geliebter, und ich auch, alle Tage unseres Lebens, mein Liebling.«
Sie schloss die Augen, um ihn wiederzusehen, nahm seine Hand, um mit ihm zu schlafen, und lächelte heute Abend um neun zu. Ihre Beine waren bereits verschwunden, und sie ging weiter in das schwarze Wasser hinein, die Lippen an dem goldenen Etui. Es war ihre Zeit des Glücks, die Zeit des Glücks einer künftigen Toten.
XLIV
Am folgenden Abend, als sie bereit war und ihn in einem Kleid erwartete, das sie zum ersten Mal angezogen hatte, rief er an und sagte, eine unvorhergesehene Sitzung halte ihn im Palais fest, er werde aber gewiss morgen Abend kommen. Daraufhin lag sie schluchzend bäuchlings auf dem Sofa. All die Mühe umsonst, und das so gelungene Kleid, gerade heute Abend hatte sie sich so schön gemacht!
Plötzlich sprang sie auf, riss sich das herrliche Kleid vom Leib, riss es in Fetzen, trampelte darauf herum und versetzte dem Sofa einen Fußtritt. Der Dreckskerl, er tat es absichtlich, damit sie ihn noch mehr liebte, dessen war sie sicher! Ihn morgen zu sehen war ihr ganz egal, heute Abend wollte sie ihn! Oh, morgen würde sie sich rächen, sie würde es ihm mit gleicher Münze heimzahlen! Der gemeine Kerl!
In der Küche stopfte sie sich halbnackt mit Kirschmarmelade voll, um sich zu trösten, schwarze Kirschen, die sie mit einem Suppenlöffel aß. Als sie schließlich keine Marmelade mehr sehen konnte, weinte sie und ging schniefend in den zweiten Stock hinauf. Vor dem Spiegel im Badezimmer machte sie sich hässlich, um ihr Unglück zu ertragen, verunstaltete ihre Frisur und machte sich ein Clownsgesicht mit zu viel Puder und einem roten Lippenstift, den sie sich auf die Wangen schmierte.
Um zehn Uhr rief er noch einmal an, sagte, die Sitzung habe weniger lange gedauert, als er gedacht habe, und er würde in zwanzig Minuten bei ihr sein. »Ja, mein Herr, ich erwarte Sie«, sagte sie. Kaum hatte sie aufgelegt, wirbelte sie herum und küsste ihre Hände. Schnell ein Bad, schnell sich abschminken, sich kämmen, sich wieder schön machen, ein fast ebenso schönes Kleid anziehen, das zerrissene verstecken, morgen würde sie es verbrennen, nein, das würde zu schlecht riechen, nun, dann würde sie es im Garten begraben. Schnell, der Herr würde gleich kommen, und sie war seine Schöne.
XLV
Eines Abends, kurz vor neun, beschloss sie, draußen auf der Schwelle auf ihn zu warten sähe zu unterwürfig aus. Ja, einfach nur aufmachen, wenn er käme, aber nicht zur Tür stürzen, ganz ruhig hingehen und tief durchatmen dabei, damit sie nicht vergaß, wer sie war, und auch damit sie nicht außer Atem geriet. Ja, sehr gut, Selbstbeherrschung, ihn würdevoll in den Salon führen. Dort Konversation, und dann eine Tasse Tee anbieten. Eine gute Idee, alles bereits in den Salon gebracht zu haben, um nicht wie ein Dienstmädchen vor ihm mit dem Tablett zu hantieren. Ja, es war alles da, Teekanne mit Wärmer, Tassen, Milch, Zitrone. Also im geeigneten Augenblick aufstehen, den Tee langsam eingießen, ihn ohne Unterwürfigkeit fragen, ob er Milch oder Zitrone wolle. Sie versuchte es. »Milch oder Zitrone?« Nein, das war ganz daneben, es klang zu energisch, nach Pfadfinderführerin. Sie versuchte es noch einmal. »Milch oder Zitrone?« Ja, so war es gut. Liebenswürdig, aber unabhängig.
Als es klingelte, stürzte sie zur Tür. Aber im Vestibül machte sie noch einmal kehrt. Hatte sie sich auch den Puder richtig abgewischt? Wieder im Salon, stand sie vor dem Spiegel und betrachtete sich, ohne sich zu sehen. Das Blut pochte ihr in den Ohren, endlich entschloss sie sich, lief los, wäre beinahe hingefallen und öffnete die Tür. »Wie geht es Ihnen?«, fragte sie ihn mit der Natürlichkeit eines Operettensängers, wenn er sprechen muss.
Mit stockendem Atem ging sie ihm in den Salon voran. Ein starres Lächeln auf den Lippen, wies sie ihm einen Sessel an, nahm selbst Platz, strich den Saum ihres Kleides glatt und wartete. Warum sagte er nichts? Hatte sie ihm missfallen? Vielleicht war doch noch Puder auf ihrem Gesicht. Sie fuhr sich mit der Hand über die Nase und fand sich ohne Charme. Etwas sagen? Ihre Stimme würde heiser klingen, und wenn sie sich räusperte, würde das ein schreckliches Geräusch machen. Sie merkte gar nicht, wie sehr er ihr linkisches Benehmen genoss und dass er nur schwieg, um es länger
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