Die Schöne des Herrn (German Edition)
Ariane vorgezogen, seinem Herzen befiehlt man nicht, aber vielleicht war es bei Monsieur auch der Kummer darüber, dass er sein Vermögen durch einen Bankrott Amerikas verloren hat, aber das glaub ich eigentlich nicht, wo die Pastoren sich doch nicht viel aus Geld machen, aber wie ich verstanden hab, blieb ihm danach nur noch sein Pastorengehalt, aber Mademoiselle Valérie ist reich geblieben, obwohl sie viel an fromme Bettlerinnen verteilt hat, die wo sie ständig umschmeichelten, ja, streng, aber gerecht, Mademoiselle Valérie, große Diners von Zeit zu Zeit, wo ich manchmal ganz stolz mit Häubchen und bestickter Schürze bedient hab, und nur Aristokraten bei diesen Diners, die wo leise redeten, und auch wenn sie laut redeten, war es trotzdem furchtbar vornehm, und Mademoiselle Valérie thronte wie eine Königin unter ihnen, ein Lächeln hier, ein Lächeln da, aber nie zu viel, immer die Würde selbst, Sie hätten Sie sehen sollen, und so bin ich nach dem Tod von Monsieur zu ihr gegangen, wie sie die Kinder zu sich genommen hat, Monsieur Jacques, der Älteste, war damals acht, Mademoiselle Ariane sechs, Mademoiselle Éliane fünf, nein, ich hab gelogen, sieben war Monsieur Jacques, erst zwei Jahre nach der Hochzeit wurde er geboren, sie hatten es nicht eilig, vielleicht wussten sie auch nicht, wie sie es machen mussten, Sie wissen ja, die Pastoren sind zwar sehr gelehrt, aber in Liebesdingen nicht sehr beschlagen, vielleicht sind sie in der Hochzeitsnacht vor dem Bett niedergekniet und haben den lieben Gott gebeten, ihnen ein bisschen zu sagen, wie sie’s machen sollen, und vielleicht hat er es ihnen nicht richtig erklärt, seien Sie still, sonst muss ich lachen, aber um wieder auf Madame Ariane zurückzukommen, sie ist ein bisschen wie meine eigene Tochter, wo ich mich doch um sie gekümmert hab, seit sie ganz klein war, gewaschen, gepudert und alles, sogar ihren kleinen Popo hab ich geküsst, wie sie noch ein Baby war, stundenlang könnte ich Ihnen von ihren Freundlichkeiten erzählen, erst gestern hat sie mir eine ganz neue Handtasche aus Krokodilleder geschenkt, die muss ein Vermögen gekostet haben, und kaum war ich vorgestern aus dem Taxi gestiegen, wie ich vom Bahnhof kam, wollte sie mir meinen großen Koffer tragen, denken Sie nur, mit ihren Prinzessinnenhänden, das beweist ihre abgöttische Liebe, und dann sagte sie mir, ich soll mir keine zu große Mühe machen, sie will ihr Abendessen schon um halb sieben, dass ich um halb acht weg kann, das nenn ich Rücksicht, und eigentlich gibt es nur eins, was ich ihr vorwerfen kann, nämlich dass sie diesen Didi geheiratet hat, das ist mir schleierhaft, sie, die Nichte von Mademoiselle Valérie, denken Sie nur, aber sonst ist sie immer sehr liebenswürdig und immer sehr nachsichtig, und jetzt, wo wir allein sind, geb ich ihr zu essen, was ich will, wenn ich Lust auf Seezungen hab, dann gibt es halt Seezungen, und wenn ich Magenschmerzen hab, dann gibt’s ein leichtes Frikassee, ganz wie es mir einfällt, und nie macht sie eine Bemerkung, immer lustig und vergnügt, dabei ist sie sehr gebildet, Studiendiplome und so weiter, und dann sollten Sie mal sehen, wie sie isst, sie macht keine Geräusche wie Sie und ich, sie schmatzt nicht, das ist angeboren, die vornehme Gesellschaft, sie hätten sie sehen sollen, wie ihre Tante noch lebte, wie fesch sie auf dem Pferd saß, das wo Mademoiselle ihr zugestanden hatte, mit siebzehn hat sie einen Preis im Reiten gewonnen, die beste Reiterin der Schweiz, aber seit ihrer Ehe ist es aus damit, kein Reiten mehr, sie sieht niemand mehr aus der vornehmen Gesellschaft, es tut mir in der Seele weh, diese Hergelaufenen haben sie mir ganz erstickt, und sie ist überhaupt nicht hochmütig, manchmal küsst sie mir sogar die Hand, da sehen Sie, was für ein Mensch das ist, dabei hat sie eine Menge Geld von ihrer Tante geerbt, von der sie die einzige Nichte ist, und was Hygiene und Sauberkeit betrifft, zwei- bis dreimal am Tag badet sie, ich schwör’s Ihnen, aber niemals würde sie sich den Mund mit Farbe beschmieren, nicht einmal Puder, einmal hab ich ihr gesagt, sie soll doch ein bisschen auflegen, da hat sie nur gelächelt, aber kein Wort gesagt, und sie sollten mal ihre Figur sehen, vorn und hinten ist sie gut ausgestattet, Pobacken wie eine Statue, richtige Liebeskissen, ihr Mann holt sich im Bett garantiert keine blauen Flecken, es ist alles schön ausgepolstert, aber nichts zu viel, gerade was nötig ist und an den richtigen
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