Die Schöne des Herrn (German Edition)
Stellen, na ja, schön, wie eine Frau halt sein soll, obwohl es mir in der Seele wehtut, dass ausgerechnet dieser Vogel mit seinem Bärtchen von all dem profitiert, was wollen Sie, ich bin Französin und rede frei heraus, und ich finde es nicht gerecht, dass sie ihre schöne Jugend an diesen Didi verschwendet, der wo es gar nicht verdient, und um ganz offen zu sein, es wär mir nur recht, wenn sie sich einen Freund nimmt, ich scheu mich nicht, es vor Gott zu sagen, einen schönen Mann hat sie verdient, einen Aristokraten wie die, die wo damals zu Mademoiselle Valérie kamen, aber jung natürlich, im besten Alter, nur ist sie leider nicht die Person, die wo so was tun würde, sie würde nichts unternehmen, um sich einen Freund anzulachen, die Männer lieben halt ein bisschen Farbe im Gesicht, ein bisschen Getue und Geziere, ein bisschen Wackeln mit dem Hintern, aber das ist nicht ihre Art, oder es sagt ihr einfach nichts, vielleicht ist sie gar nicht scharf auf Männer, Sie wissen ja, gebildete Menschen haben da manchmal so ihre eigenen Vorstellungen, und außerdem ist sie eine leidenschaftliche Leserin, sie liest im Bad, wo doch das Lesen im heißen Wasser schlecht für die Gesundheit ist, sie liest sogar, während sie sich einseift, einmal hab ich gesehen, wie sie ihr Buch aufgeschlagen auf den Wasserhahn gelegt und drüber gebeugt in der Wanne stehend gelesen hat, während sie ihren hübschen Körper einseifte, glauben Sie’s mir oder glauben Sie’s mir nicht, sie liest sogar beim Zähneputzen, blättert die Seiten um und bürstet und bürstet, und spritzt alles voll, und die arme Mariette kann hinterher alles wieder saubermachen, dafür bin ich gut genug, und wenn ich ihr Bett mach, find ich manchmal Bücher drin, vielleicht liest sie sogar, wenn der Didi es ihr im Bett besorgt, aber seien Sie still, sonst muss ich lachen, ich glaub kaum, dass sie sich viel draus macht, wenn ihr Mann es ihr besorgt, wenn sie sich dafür wenigstens einen Freund anschaffen würde, statt diesem Didi, aber nichts zu machen, lesen, lesen, immer ernste Sachen, auch auf dem Klavier nie was Fröhliches, alles wie Orgelstücke für Beerdigungen, nichts, was man singen kann, Didi, das Klavier und die Bücher, das ist schließlich kein Leben für eine gut entwickelte Frau, nicht dass ich was gegen Bücher hätte, beileibe nicht, sie vertreiben einem die Zeit, als ich in Paris mit meinem Fibrom im Krankhaus lag, hab ich auch eins gelesen, aber was zu viel ist, ist zu viel, und schuld ist auch die Religion, ich bin natürlich katholisch, aber sie wurde ganz protestantisch erzogen, und Sie wissen ja, was das bedeutet, immer ehrbar und kein Sinn für zweideutige Witze, und was die Religion betrifft, ich find, es sollte nur eine Einzige geben, wo doch im Grunde alle Religionen das Gleiche wollen, und wenn ich es mir recht überlege, wäre die jüdische Religion vielleicht am praktischsten, wo es doch da nur einen lieben Gott gibt und basta, und nicht überall Unklarheiten, außer dass sie eben doch Juden bleiben, aber glauben sie jetzt, nach allem was ich Ihnen gesagt habe, bloß nicht, dass ich meinem Mann Hörner aufgesetzt hätte, denn eins muss ich sagen, ich wäre nie auch nur auf die Idee gekommen, einen anderen Mann anzusehen, na ja, eine Musterehefrau halt, aber bei ihm hat es sich wenigstens gelohnt, so, jetzt hab ich das Silber fertiggeputzt,
parlez-moi d’amour, redites-moi des choses tendres.
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LIV
Auf einer Leiter stehend und eine Laterne in der Hand, betrachtete sich das kleine Geschöpf Grimassen schneidend im Spiegel an der Wand, schminkte sich die Lippen rot, puderte ausgiebig ihr kantiges Gesicht, glättete die kohlschwarzen buschigen Augenbrauen, befeuchtete den Zeigefinger, um den Schönheitsfleck zum Glänzen zu bringen, lächelte sich zu, stieg schließlich von der Leiter herunter und lief zum anderen Ende des Kellers, an nässenden und mit langen Nägeln gespickten Wänden entlang. Als sie vor dem liegenden Mann angekommen war, nahm sie eine anmutige Pose ein, stemmte die Faust in die Hüfte und summte schelmisch lächelnd vor sich hin. Er zuckte zusammen, stand auf, lehnte sich an die Wand und fuhr sich mit der Hand über die blutige Stirn.
»Gute Woche, gute Woche«, sang sie mit tiefer Altstimme. »Und sage mir, lieber Mann, wie ist dein Name, und stammst du aus einer ehrbaren Familie?«
Da er sie anblickte, ohne zu antworten, fasziniert von diesem Kopf ohne Hals, zuckte sie die Achseln und machte kehrt. Mit dem
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