Die Schöne des Herrn (German Edition)
das Unheil der Nacht tobt! Das Unheil der Nacht!«, schrie sie und schrieb Zeichen in die Luft. »Und jetzt muss ich mir mein Bett machen. Kurzum, mein Lager!«
Sie zwinkerte ihm zu, schloss den Fächer aus Straußenfedern mit einem kurzen heftigen Schlag und ging würdevoll, das kleine muskulöse Hinterteil wiegend, auf ein vergoldetes holzgeschnitztes Kinderbett zu. Während sie die Decken und Laken schüttelte, sang sie ausdrucksvoll, dass Jakob Silberstein ein reicher Antiquitätenhändler sei, und blickte ihn verstohlen an, um sich der Wirkung zu vergewissern.
»Schau dir meine Habe an! Alles gehört mir, denn ich bin die direkte Erbin! Garantiert echte Stilmöbel, Gemälde großer Meister mit offiziellen Expertisen! Und wenn du sie nicht gratis willst, kauf sie und bezahle! Ich kenne die Preise und ihren Wert! Mit meinem Gesichtchen kann ich sie dir deinem Gesichtchen vorsingen, wenn du willst! Aber wenn du ein bisschen Verstand hast, kannst du sie für nichts bekommen, du brauchst nur vernünftig mit meinen Onkeln zu reden. (Da er nichts erwiderte, stampfte sie mit dem Fuß auf.) Sie haben dich auf der Straße gefunden und aufgelesen! Du schuldest ihnen Dank! Was soll ich dir Besseres sagen? Sie haben dich aufgelesen! Aber vielleicht war ich es auch mit einer gewissen ehrenwerten Absicht? Kümmere dich um mich, anstatt dich um dich selbst zu kümmern! Das Blut steht dir gut, es ist wie Samt auf deinem Gesichtchen. Außerdem spreche ich perfekt mehrere Sprachen, ohne ausländischen Akzent, und das hilft uns in jedem Land, um mit der Polizei zurechtzukommen! Und ich bin eine gute Hausfrau! Ich salze und wasche und bürste das Fleisch, bevor ich es koche! Damit es nicht blutig ist! Und ich zuckere meinen Tee mit Kirschmarmelade! Ich lass es dich einmal kosten, und auch meinen gefüllten Karpfen! Und außerdem muss eine gute Ehefrau sich auch darauf verstehen, ihrem Mann das getrocknete Blut vom Frätzchen zu wischen, und bereit sein, mit ihm von der Polizei unbemerkt das Land zu verlassen, das Geld an ihrem kleinen Leib versteckt, um es gegen die Bösen zu schützen! Überdies ist die Verlobung die schönste Zeit des Lebens, und glücklich sind die, die sie genießen! Warte, ich werde mir mein Gesicht ein bisschen zurechtmachen, und du wirst sehen!«
Abermals beschmierte sie ihre Lippen, puderte ihr eckiges Gesicht und lächelte ihm dabei mit ihren großen Zähnen, vorstehende Kauapparate, zu.
»Na, was sagst du?«, fragte sie und gab ihm einen kleinen Klaps mit dem Fächer. »Schließlich zählen ja nur die Augen! Und mach dich nicht über meinen Buckel lustig! Er ist eine Krone auf meinem Rücken! Und untersteh dich, meiner Schwester, der Schönen, verliebte Augen zu machen! Ja, zugegeben, ich bin nicht die alleinige Erbin! Was willst du, manchmal schummle ich in meinem Interesse! Aber wenn sie auch schön und hochgewachsen ist, sie ist Schlafwandlerin, und das ist nur gerecht! Und jetzt warte auf mich, Jude, aber rede laut, damit ich Gesellschaft habe und keine Angst kriege!«
Sie rannte zum anderen Ende des Kellers, zur Leiter, nahm die Laterne und kam mit einem langen Schrei zurück. Ganz außer Atem, die Hand über dem Herzen, vertraute sie ihm mit einem kindlichen Lächeln an, dass sie mit knapper Not davongekommen sei. Dann nahm sie ihn bei der Hand, und sie gingen an den Gemälden entlang, die an den feuchten Mauern hingen, wobei sie die Laterne hochhielt und die Maler nannte, und bei jedem Bild befahl sie ihm mit einem Tritt ihrer Absätze, Bewunderung zu zeigen. Als er jedoch die Hand ausstreckte, um den Schleier über dem letzten Gemälde zu lüften, erzitterte sie und packte ihn am Arm. »Verboten«, schrie sie, »verboten, Die mit dem Kind anzusehen! Sonst droht der Scheiterhaufen!« Sie zog ihn zu sich heran, führte ihn an allerlei altem Trödel vorbei, Rüstungen, Stoffballen, alten Roben, Weltkarten, Glasgegenständen, Teppichen, Statuen, kommentierte sie Grimassen schneidend und nannte die Preise. Plötzlich blieb sie vor einer hohen Eisenstatue stehen und kratzte sich heftig.
»Die deutsche Jungfrau, die eiserne Jungfrau von Nürnberg!«, verkündete sie theatralisch. »Sie ist hohl, mein Lieber! Da drin haben sie uns eingesperrt, und die langen Messer der Tür drangen in den Juden ein! Aber vor allem haben sie uns verbrannt! In allen Städten Deutschlands, in Wissemburg, in Magdeburg, in Arnstadt, in Koblenz, in Sinzig, in Erfurt, und sie nannten sich stolz die ›Judenbreter‹ in
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