Die Schöne des Herrn (German Edition)
kleinen gelben Geldbörse, die an ihrem Gürtel hing, und reichte ihm hastig einen Taschenspiegel.) Schau! Es ist nur Blut! Und nicht viel, wohlgemerkt! Aber ich komme vom Thema ab! (Sie näherte sich ihm vertraulich.) Einmal bin ich um Mitternacht hinausgegangen, um mein Bedürfnis zu verrichten, und da ist mir mein Hals nach innen gerutscht! Man darf nie um Mitternacht auf die Toilette gehen, denn das ist die Stunde der Bösen, die einem den Hals zudrücken! Aber es macht nichts, Intelligenz ersetzt alles! Ach, wie froh ich bin! Ich habe Gesellschaft und kann reden, soviel ich will! Weißt du, heute ist gar nicht Sabbat, aber was willst du, in unserer Lage müssen wir seit eh und je lügen. (Wieder rückte sie ihm ganz nah auf den Leib.) Meine Mutter hat mich aus Rache so klein gemacht!«
Sie griff nach einer Gitarre, die auf einem Katheder lag, spielte ausgelassen auf ihr herum, lächelte bald mit ihren großen Zähnen, warf bald schelmische Blicke um sich, legte sie wieder an ihren Platz und fächelte sich heftig Luft zu.
»Eigentlich weiß ich überhaupt nichts von dir, und da rede ich so ganz offenherzig zu dir und verberge nur, was zu verbergen schicklich ist. Ich weiß nicht, woher du kommst oder aus wessen Leib. Also schnell deinen Namen! Sonst weiß Gott, was ich tun werde! Los, deinen Namen auf Hebräisch!«, schrie sie und stampfte mit ihrem kleinen satinbeschuhten Fuß auf. »Vorstellung, vorschriftsmäßig, wie es sich gehört! Den Namen, schnell! Zwerginnen sind schrecklich, und wehe, wenn sie beißen!«
»Solal«, sagte er und fuhr sich mit der Hand an die blutige Stirn.
»Gut, kenne ich! Die Familie hat einen gewissen Namen! Aber wisse, dass einer meiner Vorfahren in Russland zur Zeit des Zaren Direktor der russisch-asiatischen Bank war, mit dem Rang eines wirklichen Staatsrates, was dem eines Generals entspricht! Du brauchst dich also vor mir nicht aufzuspielen! Und jetzt den Vornamen, vorwärts! Den netten Vornamen für die, die deine angetraute Braut sein wird!«
»Solal.«
»Jeder nach seinem Geschmack, und mir ist es egal!«, rief die Zwergin und bauschte ihr plattes Haar, das ihr in einer unordentlichen Strähne über die Stirn fiel. »Das war ihre Sache! Im Übrigen wirst du darüber hinwegkommen und bei uns bleiben! Allzu übel haben sie dich ja nicht zugerichtet! Ja, zugegeben, sie haben dir ihre Spinnen in die Brust geritzt, aber es sind nur Narben, und das ist nicht schlimm! Nichts für das Einmachglas! (Sie drückte ihre Nasenlöcher zu und näselte.) Los, bedecke diese Männerbrust! Ich will sie nicht sehen! (Sie hielt sich die Hände vor die Augen, blickte jedoch durch die gespreizten Finger, während er mit dem Kaftan die auf seinen Oberkörper eingekerbten, von getrocknetem Blut schwarzen Hakenkreuze bedeckte.) Sie haben dir in die Haut geschnitten, sie haben dich auf den Schädel, die Nase und die Augen geschlagen, aber das ist nichts, mein Lieber, du wirst bald sehen, was sie noch alles anstellen werden! Mein religiöser Onkel hat es gesagt! (Sie drehte eine Locke zwischen ihren Fingern, um besser nachdenken zu können.) Und weißt du was? Die anderen Völker werden nichts für unsere Rettung tun! Sie werden froh sein, dass die Deutschen ihnen die Arbeit abgenommen haben! Aber im Augenblick sind wir nicht tot, sondern im Warmen und geschützt! Oh, was für ein Glück! (Sie knackte eine Nuss mit den Zähnen.) Und ich bin Rachel, und mein Vater war Jakob Silberstein, der reichste Antiquitätenhändler von Berlin! Früher waren wir oben in einem phantastischen prächtigen prachtvollen Laden!«, schrie sie mit starker Betonung der Labiale. »Aber wir sind nicht dumm, gar nicht dumm« – sie blökte das letzte Wort –, »und als mein verehrter Vater, der Erzeuger meines verfluchten Lebens, den schwarzen Wind kommen spürte, hat er getan, als sei er fortgegangen! Ja, als habe er Berlin verlassen, dieser Narr! Du brauchst schon etliche abgeschnittene Ohren, bis du ein wenig intelligent wirst! So tun als ob, wir mussten so tun als ob, immer so tun als ob! Aber mit der Komplizität, du siehst, ich kenne allerhand Wörter, mit der Komplizität des Hauswirts, der zum Volk der Tiere gehört, aber den Dollar liebt, haben wir alles hier heruntergebracht, und jetzt sitzen wir hier versteckt! Deshalb brauchen wir Dollars, viele Dollars! Es ist ihre Schuld, nicht die unsere! Und so sitzen wir hier versteckt, und im Winter ist der große Ofen warm, und wir sind in Sicherheit, wenn draußen
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