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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Opernsängerin, ihren großen Kopf vorstreckend: »Was zweifelst du, bist nicht beglückt – da ich dich liebe? – Was ist’s, das dir das Herz bedrückt? – Da ich dich liebe?«
    »Das war nur eine Kostprobe«, sagte sie lächelnd und stieg von ihrem Schemel herab. »Was hältst du davon? (In der Stille holte sie ein Dragée aus ihrem Täschchen und zerkaute es geräuschvoll.) Du willst nicht antworten? Dann eben nicht! Meine schönen großen Zähne putze ich mir mit einem spitzen Streichholz, und mein Parfum ist Rêve de Paris! Denn du kannst sagen, was du willst, das Parfum ist der Reiz der Frau! Mein Herz hat dein Herz an einem Tag geistiger Umnachtung erobert«, trällerte sie mit majestätisch herablassendem Blick. »Um auf meinen majestätischen Onkel zurückzukommen, als er neulich trotz der Gefahr ausging, wegen diverser religiöser Fragen, denn du kannst dir nicht vorstellen, wie groß unser Gott ist, es ist ganz einfach, Er hat nicht seinesgleichen, da habe ich durch die Spalte geguckt und gesehen, wie die Tiere ihm den Bart ausrissen! Sie lachten dumm und machtbewusst, aber mein religiöser Onkel blickte sie nur hoheitsvoll und schweigend an wie ein König! Ach, wie stolz ich da war! Sie lieben es auch, die Fingernägel auszureißen! Sie sind Deutsche. Höre, Mann, du wirst von jetzt an mein Zeitvertreib sein, denn ich liebe es, in den Sprachen zu reden, die ich kenne, und ich langweile mich im Dunkeln und in der Eingeschlossenheit, wenn meine Onkel durch die unteren Gänge in die anderen Keller gehen, um sich Nahrung und die unentbehrlichen Diamanten zu holen und sich dem Studium des Gesetzes zu widmen! Unentbehrlich, unentbehrlich! Man kann sie verstecken! Man kann sie mitnehmen! Zwei Onkel, einer der Religion und der andere des Handels! Ich schwatze gern, und meine Zunge ist mit Intelligenz verbrämt! Französische Worte nach Belieben!« Sie drehte sich im Kreis und ließ ihr gelbes Kleid schwingen. »So bin ich, lieber Mann, aufsässig und mit einem Blick erratend, was der andere denkt, gebildet und mehrere Sprachen sprechend, jede mit dem richtigen Akzent des Landes, um mühelos die Grenzen zu passieren! Aber wie töricht von dir, als Jude gekleidet, mit langem Kaftan und Schläfenlocken, auf die Straße zu gehen! Es geschieht dir recht, dass die Tiere dich geschlagen und deine Männerbrust zerschnitten haben! Es sei dir eine Lehre! (Sie fächelte sich heftig Luft zu.) Weißt du denn nicht, dass die Söhne des auserwählten Volkes versteckt und eingeschlossen bleiben müssen wegen der Tiere draußen? In diesem Berlin ist alles verkehrt, mein Lieber! Die Menschen sind im Käfig und die Tiere in Freiheit! Französische Worte, so viel du willst! Alle grammatischen Regeln, Kongruenz des Partizips! Und weißt du denn nicht, was sie singen, wenn sie mit Imponiergehabe durch die Stadt marschieren? ›Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s noch mal so gut‹! Zwischen meinem Kopf und den Schultern fehlt etwas, das ist wahr, aber sie mit ihren blauen Augen und ihrer Musik, sie lieben das Blut, und du wirst sehen, sie werden uns alle töten, mein majestätischer Onkel hat es gesagt! Sie sind als Menschen verkleidet, aber sie lieben das Töten, das ist ihr Glück, und sie sind zufrieden, wenn es Blut gibt, aber wir, wir sind Menschen. Gelobt sei unser Lehrer Moses! Sprich es mir nach! Schnell, sonst beiß ich dich! Na, na, bring mich nicht zum Lachen! Ich wollte dich ja nur erschrecken! Ja, mein Lieber, bis zum Letzten werden sie uns töten! Aber noch sind wir nicht tot, sondern warm und geborgen, und ich liebe es zu leben und zu schwatzen! Hier sind wir bei meinem Vater, und in dieser echten Renaissancetruhe liegt das Ohr, das die Bestien zum Spaß abgeschnitten haben, ›Heil‹ und den Namen ihres bellenden Führers brüllend! Das echte Ohr meiner lieben Mama! Ich bewahre es feierlich in Spiritus auf, neben meiner kompletten Aussteuer, dreihundertsechzig Stück, reines Leinen! Manchmal küsse ich das Glas, um mich bewundern zu lassen! (Sie machte ein schmatzendes Kussgeräusch.) Manchmal schüttle ich das Glas, damit das Ohr lebt! Ich zeige es dir mal, sobald ich Vertrauen zu dir habe! O ja, mein Freund, es kostet viel, zum auserwählten Volk zu gehören! Unentbehrlich, unentbehrlich, denn mit den Diamanten können wir uns Komplizenschaft unter den Tieren erkaufen und ein bisschen länger leben! Nun sag doch auch mal was! Schließlich haben sie dich ja nicht umgebracht! (Sie kramte in der

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