Die Schöne des Herrn (German Edition)
er. Ach, diese Ariane, die ihn wieder einmal gezwungen hatte, sie mit einer Migräne zu entschuldigen, weil sie die Kanakis, die doch nette Freunde waren, nicht ausstehen konnte. So, und jetzt ein gepflegter Anruf bei Madame Rasset, die auch keine Dahergelaufene war, Tochter des Vizepräsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz! Es war gut mit ihr gelaufen gestern Abend bei den Kanakis. Er hatte ihr ganz sicher gefallen, das war mit bloßem Auge zu erkennen. Allerdings hatten die Rassets sie vier Monate lang ignoriert, dabei hatten sie in letzter Zeit viel empfangen, sie hatten einen Haufen interessanter Leute eingeladen, sogar eine Prinzessin, wie Kanakis erzählt hatte. Und das alles natürlich nur, weil man sich für ihre Einladung nicht revanchiert hatte. Da gab es Vergeltungsmaßnahmen, und eigentlich hatten sie recht. Wenn die Deumes ihnen keine interessanten Leute vorstellten, warum sollten sie den Deumes welche vorstellen? Das war wieder einmal Arianes Schuld, die auch die Rassets nicht ausstehen konnte. Man musste die Dinge mit den Rassets schleunigst wieder ins Lot bringen, denn sie waren ein wertvoller Beitrag zum gesellschaftlichen Kapital.
Er wählte die Nummer, räusperte sich und bemühte sich, mit vornehmem Akzent zu sprechen.
»Madame Rasset? (In sanftem, weichem, näselndem, vertraulichem, salbungsvollem, behutsamem, einschmeichelndem, penetrantem Ton, den er für den Gipfel des gesellschaftlichen Charmes hielt, nannte er seinen Namen:) Adrien Deume. (Er war unerklärlich stolz auf seinen Namen.) Guten Tag, liebe kleine Madame, wie geht es Ihnen? Gestern Abend gut nach Hause gekommen? (Mit flirtender Absicht:) Haben Sie schöne Träume gehabt? Kam ich darin vor?« (Er fuhr sich mit der schmalen Zunge über die Lippen und zog sie gleich wieder zurück, wie er es zu tun pflegte, wenn er den geistreichen Mann von Welt spielte.)
Und so weiter. Er legte auf, erhob sich, knöpfte seine Jacke zu und rieb sich die Hände. Geschafft! Die Rassets zum Abendessen am Dienstag, dem zweiundzwanzigsten Mai! Ausgezeichnet. Ja, es lief wie geölt mit den gesellschaftlichen Beziehungen! Unwiderstehlicher Aufstieg, mein Lieber! Sehr gute Verbindung, diese Rassets! »Adrien Deume, Salonlöwe!«, rief er, stand abrupt auf, drehte sich um sich selbst, klatschte sich Beifall, verneigte sich, um zu danken, und setzte sich wieder. Er war so sehr von sich bezaubert, dass er sich die geistreichen und kultivierten Phrasen wiederholte, mit denen er die kleine Rasset bedient hatte, und erneut schnellte die Zunge wie ein roter Blitz hervor und verschwand sofort wieder, nachdem sie flüchtig die Oberlippe benetzt hatte.
Großartig, mein Kompliment. Jetzt kam es darauf an, weitere Paare einzuladen, die zu den Rassets passten. Auf jeden Fall die Kanakis. Das war man ihnen schuldig. Vauvau ebenfalls, mit dem Mistkerl musste man sich gut stellen. Was die übrigen Paare anging, so würde man heute Abend sehen und zu Hause die Adressenkartei durchgehen. Eigentlich wäre es eine gute Idee, verschiedenfarbige Reiter, je nach der gesellschaftlichen Wichtigkeit, auf die Karten zu stecken. Zum Beispiel rote Reiter auf die Karten der wirklich feinen Leute. Das würde die Zusammenstellung der Einladungen erleichtern. Die roten immer nur mit den roten, die blauen nur mit den blauen. Wenn ein B in die Klasse A befördert wurde, brauchte man nur den blauen Reiter abzunehmen und durch einen roten zu ersetzen, und wenn die Kartei eine Mehrheit von roten Reitern aufwies, konnte man die blauen einfach rausnehmen. In den Papierkorb mit den blauen!
»Gut, genug Zeit verloren. Jetzt an die Arbeit. Aber zuerst noch ein kleiner Rundgang, nur zwei Minuten, um mir die Füße zu vertreten und die Gehirnzellen zu lüften, bevor ich weitermache.«
Im Park gesellte er sich zu einer Gruppe von vier Kollegen, die mit dem gleichen Ziel herausgekommen waren, und nahm sofort an dem Gespräch teil, das sich um die drei wichtigsten Dinge drehte. Zuerst teilten sich die fünf Beamten im Hochgefühl ihrer Kastenzugehörigkeit und der Verbundenheit durch die gleichen Privilegien gegenseitig die grandiosen Reisepläne für die baldigen Ferien mit. Und dann tauschten sie in jener liebevollen Komplizenschaft derer, die es geschafft haben und die die Lust am Wohlleben verbindet, mit optimistischer Begeisterung ihre Ansichten über die bereits gewählten Modelle ihres nächsten Wagens aus.
Schließlich kamen sie zum letzten Thema und diskutierten heftig
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