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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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herunterleiern mit niedergeschlagenen Augen, das sieht nach Ergriffenheit aus, das wirkt aufrichtig, kurz, eine gute Schicht Pomade, und dass es die Académie française in hohem Maße ehrt, ihn gekrönt zu haben, und so weiter und so fort. Meine Worte gefallen ihm, wir reden über Literatur, wir sehen uns wieder, wir essen gemeinsam zu Mittag, und bei der dritten Begegnung erwähne ich beiläufig, dass ich in B die Spitze erreicht habe! Dann spricht er mit Sir John, und die Sache ist gelaufen!«
    Er lachte theatralisch auf, wie ein triumphierender Verräter, stützte dann die Stirn auf den Tisch und stöhnte, straffte sich wieder und öffnete die Akte Kamerun. Mit leerem Blick blätterte er darin, gähnte vor sich hin, schloss sie wieder, nahm sein Feuerzeug aus der Tasche und zündete es an. Ist die Flamme nicht ein wenig kurz? Er prüfte die Lunte, stellte mit Bedauern fest, dass sie die richtige Länge hatte, nahm den Zündstein heraus, fand ihn ziemlich abgenutzt, legte einen neuen ein und summte vor sich hin. Wie angenehm, einen ganz neuen Zündstein im Feuerzeug zu haben. Du kannst dich nicht beklagen, ich behandele dich gut, sagte er zum Feuerzeug. Dann runzelte er die Stirn. Nein, es war keineswegs sicher, dass ihm der Trick mit Garcia gelingen würde, keineswegs sicher.
    Die einzige wirksame Protektion konnte eigentlich nur von einem hohen Tier des Hauses kommen. Die hohen Tiere kannten sich in der Maschinerie der Beförderungen, den Budgettricks, den Versetzungen von einer Abteilung in die andere und all dem vorzüglich aus. Und das geeignetste hohe Tier war dieser Solal, der hier im Laden das Sagen hatte. In fünf Minuten konnte dieses Schwein einen in die A-Klasse befördern. O weh, sollte sein Schicksal von einem Judenlümmel abhängen?
    »Wie kriege ich ihn dazu, dass er sich für mich einsetzt?«
    Er fasste sich an die Schläfen, stützte erneut seine Stirn auf den Schreibtisch, verharrte lange reglos und spürte den deprimierenden Geruch des Kunstleders in der Nase. Plötzlich richtete er sich auf. »Ha«, rief er, als ein Gedanke auftauchte. Und wenn er sich in der Nähe des Büros des Untergeneralsekretärs herumtriebe? Wenn er dort lange genug wartete, musste er ihm wohl oder übel begegnen. Dann würde er ihn grüßen und, wer weiß, vielleicht würde der Judenjunge dann einmal stehenbleiben, und man konnte ins Gespräch kommen.
    »Einverstanden, ich bin einverstanden, es ist einen Versuch wert. Mein Entschluss ist gefasst, meine Herren«, erklärte er, stand auf und knöpfte sich energisch die Jacke zu.
    Gesagt, getan. Er kämmte sich das Haar und den Bart, blickte in den Taschenspiegel, rückte die Krawatte zurecht, knöpfte die Jacke auf, zog den Rockschoß glatt, knöpfte sie wieder zu und ging versonnen aus dem Zimmer.
    »Struggle for life«,
murmelte er im Fahrstuhl.
    Im ersten Stock angekommen, leistete er sich ein paar moralische Skrupel. War es seiner würdig, hier in der Hoffnung herumzulaufen, dem Untergeneralsekretär zu begegnen? Sein Gewissen antwortete ihm sogleich, dass es seine Pflicht sei zu kämpfen. Es gab Leute, die A waren und es nicht verdienten. Er aber verdiente es. Folglich kämpfte er nur für Gerechtigkeit, wenn er versuchte, die Aufmerksamkeit des U.G.S. auf sich zu lenken. Und wenn er erst einmal ein A war, konnte er der Sache des Völkerbundes größere Dienste leisten, denn dann würde man ihm bestimmt politische Aufgaben anvertrauen, Aufgaben, die einem Mann seines Formats wirklich angemessen waren. Und mit einem höheren Gehalt könnte er viel Gutes tun und dem guten Vermeylen ein bisschen unter die Arme greifen. Schließlich ging es ja auch um die Ehre Belgiens.
    So spazierte er nun mit reinem Gewissen auf dem Flur auf und ab und vergewisserte sich von Zeit zu Zeit, ob sein Hosenschlitz auch zugeknöpft war, doch plötzlich blieb er stehen. Wenn man ihn hier mit leeren Händen herumlaufen sah, was würde man von ihm denken? Er lief in sein Büro und kam atemlos mit einem dicken Aktenordner unter dem Arm zurück, wodurch er einen seriösen und vielbeschäftigten Eindruck erweckte. Ja, aber dieses langsame Auf- und Abgehen konnte auch nach Faulheit aussehen. Daher beschleunigte er den Schritt und eilte von einem Ende des Flurs zum anderen. Wenn der U.G.S. jetzt erschien, sähe es so aus, als würde er mit dem rechtfertigenden Ordner unter dem Arm zu irgendeinem Kollegen eilen. Ja, aber wenn der U.G.S. ihn nun gerade in dem heiklen Augenblick überraschte, in dem

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