Die Schöne des Herrn (German Edition)
sorgfältig an meinen Bericht feilen werde. Er wird Aufsehen erregen, verlass dich drauf! Natürlich werde ich ihn da und dort ein bisschen ausschmücken, der übliche Schmus eben. Eigentlich dürfte ich, vom verwaltungstechnischen Standpunkt aus, meinen Bericht nur an Vauvau adressieren, der dann darüber entscheidet, ob er nach oben weitergeleitet werden soll. Dem Protokoll entsprechend dürfte ich also oben auf mein Papier lediglich Vauvaus Namen setzen. Aber ich kenne meinen Vauvau, dem passt es nicht, wenn seine Mitarbeiter glänzen, vor allem, wenn er Konkurrenzgefahr wittert. Wenn ich also nur seinen Namen daraufsetze, wird er meinen Bericht totschweigen, weil er ein Beweis für meine Fähigkeiten sein könnte, und dann wird er ihn nicht an die höheren Instanzen weiterleiten, sondern einfach darauf sitzenbleiben! Über all das habe ich nachgedacht. Und nach reiflicher Überlegung habe ich den Entschluss gefasst, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen und meinen Bericht kühn an die oberste Stelle zu schicken, auf dem hierarchischen Amtsweg natürlich, das heißt oben seinen Namen, dann den Namen meines Freundes Solal, von dem die Mandatsabteilung abhängt, und dann kein Geringerer als Sir John! Ja, Liebling, Sir John höchstpersönlich, genau das! Ist das nicht eine gute Idee, hm? Jetzt wirst du mir sagen, ich hätte nicht das Recht, Sir John meinen Bericht zu schicken, denn gemäß den Vorschriften werden Missionsberichte nie an ihn geschickt! Nun gut, ich habe die Antwort bereit, falls Vauvau aufmucken sollte! Es ist ein Ausnahmefall! Denn Lord Plummer, ein Feldmarschall verdammt noch mal, der höchste Rang in der englischen Militärhierarchie, Lord Plummer, Hochkommissar von Palästina, K.C.M.G., C.B. und so weiter hat mich ausdrücklich beauftragt, Sir John seine herzlichsten persönlichen Grüße und Empfehlungen zu übermitteln! Dazu bin ich verpflichtet! Davon rücke ich nicht ab! Und somit bin ich berechtigt, meinen Bericht der allerhöchsten Dienststelle zu übermitteln!
Quod erat demonstrandum
. Außerdem wird Vauvau auch alleine draufkommen und keinen Ton sagen, sei ganz beruhigt, er hat viel zu großen Schiss, um den Bericht nicht weiterzuleiten! Lord Plummer, stell dir vor!«
Er gähnte, stand auf und drückte die Stirn ans Fenster. Auf einem Hügel befragte ein Pferd traurig das Gras, dann saß ein kleines Mädchen vor einer Haustür und hielt ein Baby auf ihren Knien, dann rauschte eine sofort wieder verschwundene Mauer vor dem stolpernden Zug wie die stürmische See, dann flohen Heugarben, dann wartete ein Bauer reglos wie eine Gliederpuppe, die Heugabel über der Schulter, am Bahnübergang, und dann rollte ein Güterzug mit seinen schäbigen Waggons vorbei.
Er setzte sich wieder, gähnte und betrachtete seine Fingernägel. Zehn Minuten vor Genf mit der Nagelbürste drüber. Sie hatte bestimmt einen Haufen Einladungen zu Cocktailempfängen erhalten, wo er doch jetzt A war. Nur müsste man wissen, ob sie auch zu diesen Cocktailempfängen gegangen war, bei ihrer Art. In ihren Briefen hatte sie nichts davon erwähnt. Auch nichts über die Kanakis, die ihnen immerhin ein Diner schuldeten. Vielleicht hatten sie auf seine Rückkehr gewartet. Jedenfalls musste er sich beim U.G.S. möglichst bald für das Abendessen revanchieren, um den Kontakt nicht zu verlieren, und die Zeit nutzen, solange Mammi und Papi nicht in Genf waren. Der U.G.S. würde bestimmt annehmen, denn er hatte sie ja zuerst eingeladen. Bei der Gelegenheit auch die Petrescos einladen, die eine gewisse gesellschaftliche Stellung hatten. Sie würden sich nicht lange bitten lassen, weil er ganz nebenbei erwähnen würde, dass der U.G.S. auch käme. Nein, lieber nicht, nicht die Petrescos, keine Konkurrenz, Petresco wäre imstande, bei Tisch die ganze Konversation an sich zu reißen, mit seiner selbstsicheren, mondänen Art.
Mechanisch leierte der Zugschaffner den Namen der nächsten Station mit seelenloser Stimme durch den Gang. Fünf Uhr fünfundvierzig. In fünf Minuten Delémont und in drei Stunden Genf! Schließlich war sie seine Frau, und drei Monate war er verdammt noch mal enthaltsam gewesen, sogar in Beirut, wo er große Lust verspürt hatte, aber Nutten waren nun mal nicht sein Fall, und dazu noch das Risiko, sich eine üble Krankheit zu holen, nein, vielen Dank, nichts für ihn.
»Ich bin heute derart scharf, mein Alter, dass ich meinen ehelichen Pflichten garantiert nachkommen werde! Die Bettgestellfedern werden
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