Die Schöne des Herrn (German Edition)
Geknabbere, ein Vorgeschmack, der das Wiedersehen, das überwältigend sein muss, nur verderben könnte. Also Geduld, durchhalten und Volkmaars Pfusch wieder hinaufbringen.«
Vier übereinander gestapelte Kartons auf dem Kopf balancierend, stieg sie die Treppe hinauf und erzählte sich, sie sei eine junge Sklavin im alten Ägypten und trage die für den Bau der großen Pyramide bestimmten Steinblöcke. Im ersten Stock zog sie Bademantel und Sandalen aus, um sich mehr Lokalkolorit zu geben und eine echte nubische und nackte Sklavin zu sein, deren anmutiger Schritt ganz plötzlich das Herz des Pharaos entflammte, dem sie zufällig auf dem Treppenabsatz begegnet war und der sie sogar bat, seine Pharaonin und Königin Ober- und Unterägyptens zu werden. Sie dankte ihm und sagte, sie würde nachdenken und ihm ihre Antwort später geben, nach einem weiteren Bad, einem Bad in reinem Wasser, ja, lieber Freund, ein duftloses Bad, denn die Badesalze von vorhin rochen viel zu intensiv.
Nachdem sie sich in ihrem Zimmer der Kartons entledigt hatte, lief sie zu ihrem Handspiegel, um sich darin kritisch zu mustern. Alles war in Ordnung. Sie küsste ihre Hand und lächelte dem Pharao zu, der ihr gefolgt war, ungeduldig, ihre Antwort zu erfahren. Sie sagte ihm, nach reiflicher Überlegung könne sie seiner Bitte nicht stattgeben, und ging wieder hinunter, immer noch nubisch nackt, um die anderen Kartons zu holen. Eigentlich hätte sie diesem aufgeblasenen Ramses erklären müssen, dass sie ihr Herz Joseph, dem Sohn Israels und Ministerpräsidenten von Ägypten, geschenkt habe. Sie würde es ihm beim Hinaufgehen erklären.
***
Am Fenster stehend, das Rattern genießend und das Gefühl, dass der Zug, der ihn in sein schönes Genfer Leben zurückbrachte, für ihn arbeitete, betrachtete Adrien Deume in aller Muße das grüne Vorbeihuschen der Wiesen und die wilde Flucht der Kornfelder, die in den Tornado hineingerissen wurden, in dem Bäume und Telegrafenmasten niederprasselten, deren Drähte sich aufrichteten und jäh wieder senkten. Er ließ die Scheibe herunter, feuchtgrüne Gerüche wehten ihm entgegen, Kilometersteine sausten vorbei, ein Wald entschwand mit seinen Geheimnissen, und ein Fluss schimmerte, sofort wieder verschwunden, dann brauste eine Lokomotive in Gegenrichtung vorbei, heizte ihm im Vorbeifahren ein, tobsüchtig und gierig schnaufend, gefolgt von den ruckartig vorbeiflitzenden Lichtern ihrer Waggons, und dann legte der Zug wie von der Tarantel gestochen noch an Geschwindigkeit zu, vier glänzende Schienen, die nach rechts stürmten. Bestimmt hundertzwanzig Stundenkilometer, dachte Adrien. Woraufhin er beschloss, einen frischen Eindruck für seinen geplanten Roman zu Papier zu bringen, und sein Ringbuch und seinen goldenen Füllfederhalter hervorholte. Nachdem er lange die unablässig fliehende Landschaft betrachtet hatte, die Augen halb geschlossen, um schärfer sehen zu können, schrieb er, dass der Zug mit schwindelerregender Geschwindigkeit dahineile, und klappte sein schönes Notizbuch wieder zu.
Nachdem er das Fenster hochgeschoben hatte, ging er den Gang entlang. Wie ausgestorben dieser Erste-Klasse-Wagen, niemand, mit dem er ein paar Worte wechseln konnte. Er gähnte, die Hände in den Taschen, stolz, sein Gleichgewicht halten zu können, summte vor sich hin, ging auf die Toilette, um sich die Zeit zu vertreiben, kam wieder heraus, lächelte dem Kellner des Speisewagens zu, der ihm klingelnd entgegenkam und den ersten Turnus des Abendessens ankündigte, und teilte ihm mit, er zöge es vor, auf den zweiten Turnus zwischen Lausanne und Genf zu warten. »Um mehr Hunger zu haben«, erklärte er liebenswürdig. »Bitte sehr«, erwiderte der Kellner und entfernte sich, in Gedanken bei der Leukämie seiner Tochter. Komischer Kerl, dachte Adrien. Um sich zu beschäftigen, ging er schwankend durch den nach Ruß riechenden Faltenbalg des Durchgangs und sah sich die Reisenden der dritten Klasse an. Auf dem langen, nach Knoblauch und Orangen riechenden Gang gönnte er sich das moralische Vergnügen, die dichtgedrängten armen Teufel auf ihren harten Bänken zu bedauern, die sich von Wurstwaren und harten Eiern ernährten. »Wirklich traurig«, seufzte er glücklich.
***
Im Segelkleid und in weißen Sandalen schloss sie die Fensterläden des kleinen Salons, zog die Vorhänge zu, um es feierlicher zu machen, knipste die Lampe mit dem Pergamentschirm an, stellte sie auf das Tischchen und prüfte im Handspiegel, ob
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