Die Schöne des Herrn (German Edition)
das Licht ihr schmeichelte. Das Ergebnis war wenig zufriedenstellend. Das Licht kam von zu weit unten, vergröberte ihre Gesichtszüge und ließ ihre Augenbrauen viel dicker erscheinen.
»Es sieht wie eine japanische Maske aus.«
Sie stellte die Lampe auf den Flügel, setzte sich, griff wieder nach dem Spiegel und schmollte angewidert. Nur die Hälfte ihres Gesichts war beleuchtet. Jetzt war es eine griechische Maske. Ganz nach oben vielleicht, diese Lampe, auf das Bücherregal? Nachdem sie sich wieder gesetzt hatte, betrachtete sie sich zum dritten Mal und war zufrieden. Dieses gedämpfte Licht war fast eine indirekte Beleuchtung und verlieh ihr das ebenmäßige Gesicht einer Statue. Uff, das wäre geregelt. Aber wenn er da ist, sich besser auf das Sofa setzen, gegenüber dem Ankleidespiegel. Sie probierte es aus. Ja, ausgezeichnet, auf diese Weise konnte sie sich unbemerkt im Spiegel überwachen, von Zeit zu Zeit überprüfen, ob mit ihrem Gesicht alles stimmte, einen Blick auf die Falten ihres Kleides werfen und es, falls nötig, in Ordnung bringen. Wirklich eine gute Idee, dass sie den Ankleidespiegel hatte herunterbringen lassen. Und da er sich ganz bestimmt neben sie setzen würde, um und so weiter, konnte sie in den Pausen einen Blick in den Spiegel werfen, um sich das Haar zu richten und so weiter.
»Und dann hat es noch einen weiteren Vorteil, denn mit ein wenig Geschicklichkeit und einem Seitenblick kann ich vielleicht sehen, wie wir beide uns küssen, das wäre doch wunderbar, nicht wahr?«
Sich verstohlen betrachtend, spitzte sie, ganz ihm hingegeben, die Lippen, wobei ihr das Kleid im Rausch der Leidenschaft über die Knie hinaufrutschte. Nachdem sie sich wieder anständig hingesetzt hatte klatschte sie in die Hände. Toll, das alles schon bald! Und jetzt sich vorstellen, sie wäre er, um ganz unparteiisch beurteilen zu können, ob sie ihm nachher gefallen würde. Sie stand auf, trat ganz nah an den Spiegel heran, lächelte sich zu und genoss das Gesicht, das er bald bewundern würde. Aus Übermut bemühte sie sich zu schielen und schnitt dann schreckliche Grimassen, aus reiner Freude am Kontrast und um, wenn die Faxen vorbei waren, wieder schön zu sein. Im Grunde, dachte sie, brauchte sie ihn gar nicht so sehr. Denn in diesem Augenblick war sie allein und trotzdem glücklich.
»Ja, meine Liebe, aber nur, weil er in seinem Ritz existiert.«
Sie küsste ihre Lippen auf der glatten Kälte des Spiegels, bewunderte ihre Augenbrauen und bedauerte, sie nicht auch küssen zu können. Dafür wäre nachher er zuständig. O er, o er! Erschrocken vor Glück, kniff sie sich in die Wangen, riss an ihren Haaren, stieß Schreie aus und sprang umher. Und es würde Küsse geben, die Früchte ihrer Liebe! Sie kehrte zum Spiegel zurück, streckte sich schüchtern die Zunge heraus, zog sie jedoch sofort beschämt zurück. Dann räkelte sie sich.
»Oh, er soll endlich kommen, dieser Mann!«
Jetzt die ernsthaften Dinge, zuerst die Kontrollen. Die Rosen waren gut, nur rote. Drei Sträuße von je einem Dutzend, das sollte genügen. Mehr würde unterwürfig wirken. Sie fuhr mit dem Finger über das Tischchen. Kein Staub. Jetzt das Thermometer. Zweiundzwanzig Grad, die ideale Temperatur für na ja eben. Sie strich eine hässliche Falte auf dem Sofa glatt, öffnete den Flügel, legte eine Mozartsonate auf das Pult und warf einen Blick auf das Notenregal. In Ordnung, nur vertretbare Dinge. Die Hefte der
Vogue
und der
Marie-Claire
bereits in der Küche versteckt. Jetzt noch eine kleine intellektuelle Note. Sie legte die
Pensées
von Pascal auf den Flügel und ein Buch von Spinoza aufgeschlagen auf das Sofa. Wenn er hereinkäme, würde er glauben, sie habe gerade ein ernsthaftes Buch gelesen, während sie auf ihn wartete. Nein, nicht gut, das war eine Lüge. Außerdem gefährlich, dieses Buch herumliegen zu lassen, selbst zugeklappt. Schließlich wusste sie kaum etwas über Spinoza. Schleifen von Brillengläsern und Pantheismus, das war nicht genug. Sollte es ihm einfallen, darüber zu sprechen, würde sie nicht glänzen. Sie stellte die
Ethik
in den Bücherschrank zurück.
Was noch? Auf das Tischchen, neben die Schale mit den schönen Weintrauben, legte sie ein paar Schachteln Zigaretten. Englische, amerikanische, französische, ägyptische, er hätte die Wahl. Sie öffnete die Schachteln und schloss sie sofort wieder. Offen wirkten sie zu absichtsvoll, zu eindeutig für ihn bestimmt. Gut, hier war nichts weiter zu tun.
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