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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Völkerbundversammlung im September teilnehmen, während Herr van Offel nur technischer Berater ist, wir haben Visitenkarten ausgetauscht, und ich habe ihm gesagt, wir würden uns glücklich schätzen, ihn im September in Genf bei uns zum Abendessen zu haben, das wäre also abgemacht, nur schade, dass wir kein größeres Gästezimmer haben und vor allem kein besser eingerichtetes, denn das Gästezimmer ist das Geheimnis der persönlichen Beziehungen, und wenn wir ein wirklich anständiges Gästezimmer hätten, hätte ich es Herrn Boerhaave jetzt gleich anbieten können, das wäre intimer, eigentlich bräuchten wir sogar zwei Gästezimmer wie die Kanakis, dann könnten wir gleichzeitig Herrn Boerhaave und Herrn van Offel bei uns haben, nun ja, darüber reden wir noch, vergiss nicht, Frau van Offel meine vorzüglichen Empfehlungen und meinen Dank für ihre bezaubernde Gastfreundschaft auszurichten, auch meine respektvollen Grüße an Herrn van Offel, und achte bitte auf die richtige Ausdrucksweise, ›vorzügliche Empfehlungen‹, ›bezaubernde Gastfreundschaft‹ und ›respektvolle Grüße‹, sie werden es zu schätzen wissen, ich verlasse mich auf Dich, Mammi, dass Du diesen Brief nicht liegen lässt, schon wegen des Vergleichs in der Rangordnung zwischen Herrn Boerhaave und Herrn van Offel, den Letzterer mir übelnehmen könnte, aber Du kannst ihm ruhig ganz nebenbei sagen, dass ich mich mit Herrn Boerhaave angefreundet habe.«
    Laut gähnend, stand er auf, um sich die Zeit zu vertreiben, ging schwankend auf den Gang hinaus, presste die Stirn gegen die Scheibe und betrachtete die nacheinander zu Boden stürzenden Telegrafenmasten, das im Dämmerlicht fahl erscheinende Gras und die Berge, die sich von dem immer noch hellblauen Himmel abhoben. Er schloss die Augen und betastete seinen Bauch, um zu sehen, ob er Schmerzen habe. Nein, aber trotzdem nicht in den Speisewagen, denn die Vorspeisen vom Mittag waren noch nicht verdaut. Schade, das hätte ihm die Zeit vertrieben. Er würde etwas Leichtes zu Hause essen.
Home, sweet home again.
    »Guten Abend, mein Liebes, wie geht es dir? Freust du dich, mich zu sehen?«

***

    Schrecklich, acht Uhr neun! Sie erhob sich abrupt in der Wanne, seifte sich ein und zählte ganz schnell. Bei sechsundfünfzig ließ sie sich mit einem Plumps in das aufspritzende heiße Wasser fallen. Sie schloss die Augen, um das angerichtete Unheil nicht zu sehen. Dann entschloss sie sich, drehte vorsichtig und langsam in ruckweisem Entsetzen den Kopf zum Kleid auf dem Schemel und öffnete ein Auge. Das Segelkleid war über und über mit Seifenwasser bespritzt! Entehrt, ihr schönes Segelkleid! Verloren, sie war verloren! Mein Gott, es wäre doch so einfach gewesen, sich nicht ins Wasser plumpsen zu lassen, so einfach, drei Sekunden zu verlieren, um sich geduldig und zivilisiert wieder hineinzusetzen! Oh, ein Wunder, die Zeit zurückdrehen, nur eine Minute zurückdrehen, sich noch nicht abgespült haben und ganz sachte ins Wasser gleiten!
    »Verdammtes Dreckswasser!«
    Sie zwang sich zu einem Schluchzen und versetzte dem Dreckswasser wütende Fußtritte. Was sollte sie jetzt tun? Das Kleid schnell waschen, ausspülen und bügeln? Verrückter Einfall! Es müsste mindestens drei Stunden trocknen, bevor man es bügeln konnte! Nein, noch war nicht alles verloren, es gab noch die anderen Kleider von Volkmaar. Sie stieg aus dem Bad, triefend, jedoch entschlossen zu kämpfen, ihre Liebe zu retten.
    In ihrem Zimmer packte sie nackt und immer noch nass die Kleider und Kostüme von Volkmaar aus und warf die leeren Kartons, die sie behinderten, aus dem Fenster. Sei’s drum, dann also kein Spaziergang mit ihm im Garten wegen der Kartons. Verdammt, der Spiegel war nicht mehr da. Alles im Badezimmer anprobieren. Um sich dort im Spiegel zu sehen, brauchte sie nur auf den Schemel zu steigen. Die Kleider kunterbunt über dem Arm, lief sie aus dem Zimmer.
    Zwecklos, sich mit den verpfuschten vier Kostümen aufzuhalten. Weg damit! Sie warf sie nacheinander in die Badewanne, wo sie sich vollsogen und langsam untergingen. Auf den Schemel steigend und wieder herunterspringend, probierte sie die Kleider an. Das weiße Crêpekleid war zu groß, dabei hatte sie es diesem Idioten immer wieder gesagt. Weg damit! Sie ertränkte es mit dem irren Lächeln der Verzweiflung. Das angeblich sportliche mit den Holzknöpfen brauchte sie gar nicht erst anzuprobieren, es war das schrecklichste von allen, das hatte sie bei der letzten

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