Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
Vom Netzwerk:
immer außerhalb des Bettes auf. Er dankte und sagte, ja, gern. »Ich bringe es Ihnen sofort!«, sagte sie lebhaft. Er fuhr sich über die Nase, peinlich berührt von dieser Eile. »Aber schauen Sie mich bitte nicht an, denn ich bin nicht sehr präsentabel.«
    Gewöhnt an diese seltsamen plötzlichen Anfälle von Schamhaftigkeit, schloss er die Augen, öffnete sie jedoch sofort wieder, angezogen von dem Anblick, der sich ihm bot. Immer wenn er sie von hinten nackt herumlaufen sah, überkam ihn Mitleid. Wunderschön, wenn sie dalag, war sie immer ein bisschen lächerlich, wenn sie nackt umherging, rührend und lächerlich in ihrer wehrlosen Weichheit, so verletzlich, gefolgt von den beiden wippenden Rundungen über ihren Schenkeln, Rundungen der Schwäche, zu groß wie alle weiblichen Rundungen, absurd voluminös und so wenig für den Kampf geschaffen. Verzaubert und schuldbewusst beobachtete er, wie sie sich bückte, um ihren Morgenrock aufzuheben, und er hatte Mitleid, unendliches liebendes Mitleid, wie angesichts eines Gebrechens, Mitleid mit dieser zu zarten Haut, dieser zu schmalen Taille, diesen beiden unschuldigen Rundungen.
    Er senkte den Blick, denn er schämte sich, dieses zarte und zutrauliche und so diensteifrige Geschöpf lächerlich zu finden. »Ich liebe dich«, sagte er innerlich zu ihr, und er liebte diese ergreifenden Kugeln, heilige Kugeln der Frauen, überwältigender Beweis ihrer Überlegenheit, Kugeln der Zärtlichkeit, Zeichen göttlicher Güte. »Ja, ich liebe dich, meine Lächerliche«, sagte er innerlich zu ihr, strampelte wie wild und stieß die Bettdecke fort, um besser die köstliche Einsamkeit zu fühlen.
    Als sie, anständig gekleidet und wieder ganz die Nichte von Mademoiselle d’Auble, aus dem Badezimmer zurückkam, kniete sie vor dem Bett nieder und reichte ihm die Weintrauben, die sie eben für ihn gewaschen hatte. Sie hielt auch eine Serviette bereit und betrachtete ihn, während er die schönen Früchte aß, betrachtete ihn passiv, aber wachsam, liebte ihn zärtlich und genoss das Vergnügen ihres großen Sohnes, bewunderte jede seiner Bewegungen, was ihm bald auf die Nerven ging, so dass er nicht übel Lust hatte, sie zu bitten, nun ihrerseits die Augen zu schließen. Als er fertig war, wischte sie ihm die Hände ab.

***

    Wieder angekleidet und frisiert, mehr denn je Ariane Cassandre Corisande, geborene d’Auble, hatte sie nach dem Tee geklingelt und war bereits bei ihrer vierten Tasse. Während er sie beim Trinken beobachtete, konnte er sich den Gedanken nicht verkneifen, dass sie ihn in ein oder zwei Stunden mit dem gleichen vornehmen Lächeln bitten würde, sie für einen Moment allein zu lassen. Er würde diesem Wunsch sofort nachkommen, und ein paar Augenblicke später würde er aus dem Badezimmer dieser Bedauernswerten das unheilvolle Geräusch der Wasserspülung vernehmen. Kurz, ein Leben in Leidenschaft. In seinem Zimmer würde er sich aus Rücksicht für sie die Ohren zuhalten, vergeblich allerdings, denn die sanitären Einrichtungen des Royal waren bemerkenswert lautstark. Und schließlich würde er durch eine Mozartplatte oder eine von dieser Nervensäge Bach musikalisch zurückgerufen, und er musste wieder mit ihr schlafen. Kurz, ein Leben in Leidenschaft.
    Was soll ich jetzt tun?, fragte er sich vor dem Fenster, an dessen Scheiben der Wind rüttelte. Was soll ich tun, um dieses unglückliche Geschöpf glücklich zu machen, das mit seinem halben Liter Tee im Bauch brav und artig wartete und sein Schweigen respektierte? Noch mal Tee bestellen? Heikel. Die Aufnahmefähigkeit dieser Anglomanin hatte schließlich ihre Grenzen. Also reden. Doch worüber? Ihr sagen, dass er sie liebte? Das hatte er ihr vorhin schon dreimal gesagt, einmal vor dem Koitus, einmal währenddessen und einmal danach. Das wusste sie also. Und außerdem hatte dieses Reden von der Liebe nicht mehr dieselbe Wirkung wie damals in Genf. Damals war es, wenn er ihr gesagt hatte, dass er sie liebe, jedes Mal eine göttliche Überraschung für sie gewesen, und sie hatte ihn immer ganz glücklich und lebhaft angeschaut. Wenn er ihr jetzt diese verdammte Liebe gestand, nahm sie diese ihr wohlbekannte Information mit einem gemalten Lächeln entgegen, einem Wachspuppenlächeln, während sie sich unbewusst langweilte. Zu protokollarischen und rituellen Höflichkeitsfloskeln geworden, rollten die Worte der Liebe über das glatte Wachstuch der Gewohnheit. Sich töten, um dem ein Ende zu bereiten? Aber sie

Weitere Kostenlose Bücher