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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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weitere Überraschung. Sie hatte für diesen Abend ein besonders exquisites Diner bestellt, das um acht serviert werden sollte. Russische Vorspeisen, anschließend Hummer
à l’américaine
und weitere köstliche Dinge. Und Champagner brut! Erneut gratulierte er ihr. Sie verlangte einen Kuss zur Belohnung, dankte, als sie ihn erhalten hatte, und erklärte, sie sei gleich nach ihrer Rückkehr aus Saint-Raphaël persönlich zum Küchenchef gegangen, um sich zu vergewissern, dass alles perfekt wäre und dass es viele Vorspeisen gäbe, die er ja so liebe. Wirklich sehr nett, dieser Küchenchef, sehr hilfsbereit. Übrigens möge er Katzen, was immer ein gutes Zeichen sei.
    Am nächsten Tag, dem 27. Oktober, gab es eine erneute Überraschung. Sie erschien in einem herrlichen Abendkleid zum Diner, dessen kühner Rückenausschnitt bis zu den Rundungen des Gesäßes reichte und das sie am Morgen heimlich in Cannes gekauft hatte. Als sie um Mitternacht alle zwanzig doppelseitigen Platten angehört hatten, sagte er, er sei müde, und verabschiedete sich zärtlich. Sie bat ihn, sich nicht über sie lustig zu machen, aber sie habe schreckliche Lust, ihn zu waschen, wenn er in der Wanne säße. Ich darf doch, oder? Erlauben Sie es? Er erlaubte es, und sie wusch ihn mit den Gesten einer Dienerin. Danach zog sie sich aus und bat ihn um Erlaubnis, zu ihm in die Wanne zu steigen.
    Während der folgenden Abende wurden ihnen die raffiniertesten Mahlzeiten auf dem Zimmer serviert, von Ariane extra bestellt, die glücklich war, dass er daran Gefallen fand. Nach dem Kaffee erklang häufig die wunderschöne Mozartarie, während edle Zärtlichkeiten ausgetauscht wurden, unterbrochen zuweilen vom Hohngelächter der Jazzmusik, die unten im Saal das gemeine Volk zum Tanzen ermunterte. Dann wandte sie sich ab und wartete, bis die ordinäre Musik verstummt war.
    An einem der ersten Novemberabende schlug sie ihm, nachdem sie ihm vorgelesen hatte, einen Spaziergang vor. Flüchtig nach draußen schielend, weigerte er sich mit der Bemerkung, es regne. Da schlug sie vor, ihm das Familienalbum zu zeigen, das sie mitgenommen hatte. Fotos von ihrem Vater, ihrer Mutter, Tante Valérie, Onkel Agrippa, Éliane und verschiedenen Groß- und Urgroßeltern. Er kommentierte, bewunderte, und als das Album zugeklappt war, schlug er eine Reise nach Italien vor. Venedig, Pisa, Florenz. Man könnte schon morgen den Frühzug nehmen. Sie sprang auf, klatschte in die Hände und sagte, sie würde gleich mit dem Kofferpacken beginnen.

LXXXIII

    An diesem Tag ging jeder nach dem Mittagessen im Salon in sein Zimmer, zog sich aus und traf seine Vorbereitungen. Nackt unter einem weißen Seidenkleid, beendete sie ihre diversen Waschungen und Zurichtungen mit dem Verstäuben von Parfum da und dort, während er, nackt unter seinem roten Schlafrock, sich verschämt die Fingernägel bürstete. Kurz darauf ertönte die Mozartarie, und er zuckte zusammen. Das war der Ruf. Sie rief ihn nämlich nicht mehr an, sie legte eine Platte auf, das war poetischer.
    Der Ruf, ja. Jetzt wird geliebt, seine Gläubigerin rief ihn zu sich, mahnte ihn, ihr Glück zu spenden. Komm, beweis mir, dass ich gut daran tat, dieses Leben der Einsamkeit mit dir gewählt zu haben, gab sie ihm mittels des ›Ihr, die ihr wisst, was Liebe ist‹ zu verstehen. Sechsundzwanzigster November. Vor bereits drei Monaten hatten sie Genf verlassen, drei Monate chemisch reiner Liebe. Zuerst Agay, dann Venedig, Florenz, Pisa, dann wieder Agay, seit einer Woche. Wenn sie merkte, dass heute der sechsundzwanzigste November war, drohte die Gefahr einer Feier zum Gedenken an den sechsundzwanzigsten August mit poetischen Herzensergüssen und erstklassigem Koitus.
    Er legte Nagelbürste und Seife weg und betrachtete sich, frisch rasiert, zum Erbrechen sauber in diesem Schlafrock. Das war also von nun an sein Leben, sich jeden Tag begehrenswert machen, das sexuelle Rad schlagen. Sie hatte ihn in einen Pfau verwandelt. Im Grunde führten sie eine animalische Existenz. Doch bei den Tieren währte die Paarungszeit mit ihren Koketterien wenigstens immer nur eine gewisse Zeit. Bei ihnen dagegen ewig. Sich pausenlos schrubben, zweimal am Tag sich rasieren, ständig schön sein, das war seit drei Monaten sein Lebensinhalt.
    »Ja doch, ich komme schon«, sagte er zur Mozartarie, die wie erwartet wiederholt wurde.
    Zwei Uhr. Draußen wehte ein scharfer Wind. Folglich zum Liebesgemach verurteilt. Was tun bis zum Abendessen? Was konnte er

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