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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Hawaii-Gitarre nehme?«
    »Ja, Liebling, das ist eine gute Idee.«
    »Dann werde ich wahrscheinlich gleich morgen damit beginnen. Bald werde ich Ihnen hawaiianische Lieder vorsingen und mich auf der Gitarre begleiten können.«
    »Sehr gut«, sagte er lächelnd und erhob sich plötzlich. »Ich werde meine Koffer packen. Eine kleine Geschäftsreise.«
    »Wann müssen Sie fort?«
    »Heute Abend. Es ist dringend. Finanzielle Angelegenheiten.«
    »Und wo fahren Sie hin?«
    »Nach Paris. Ich muss dort Freunde treffen.«
    »Liebster, lassen Sie mich mitkommen! (Mit welchem Feuer sie das gesagt hatte! Eine Abwechslung in Aussicht! Sie stellte sich schon bei der Ankunft in Paris neue Gesichter im Bahnhof und auf den Straßen vor, und vor allem, vor allem die Freunde, die er sehen und die er ihr vorstellen würde. Diese Freunde zogen sie an wie der Honig die Fliege! Andere als er, andere als er, war die Devise dieser Frau. Da er sie anblickte, glaubte sie, er würde zögern.) Geliebter, ich werde ganz brav sein, ich werde warten, bis Sie Ihre Geschäfte erledigt haben, und der Abend gehört dann uns.«
    »Uns, wofür?«, unterbrach er sie streng. (Mit kaltem Blick erwartete er den vernichtenden Schluss – die abendlichen Besuche bei Freunden.)
    »Ich wollte nur sagen, dass wir glücklich sein würden, uns am Abend wiederzusehen, das wäre doch so schön«, sagte sie, erschrocken über den starren Blick dieses fast Wahnsinnigen.
    Sie gab also ihren heimlichen Wunsch zu! Den verdammten Geliebten wenigstens ein paar Stunden am Tag los sein, ihn endlich einmal aus dem Haus haben, ihn nicht mehr ständig in seinen unvermeidlichen Schlafröcken herumsitzen sehen! Übrigens hatte sie recht. Es war erstickend, sich pausenlos zu sehen, bemerkenswert schön, um sich pausenlos zu sagen, wie bemerkenswert intensiv man sich liebe. In Wirklichkeit, und ohne es zu wissen, brannte sie darauf, die Frau eines Untergeneralhanswurstes zu sein und jeden Abend mit jeweils abgestimmtem Lächeln zahlreiche wichtige und ordensgeschmückte Idioten, möglichst im Frack, zu empfangen.
    Im Nachbargarten erneut Blindekuh. Tja, auch er beneidete sie, auch er wünschte sich, mit einem erbärmlichen Mitglied des Conseil d’État in guter Beziehung zu stehen, er, der einst. O dieses geile Geschrei der vor ihren Männern fliehenden Idiotinnen. Er wandte sich ihr zu. Die arme Kleine mit ihrer Hawaii-Gitarre. Ja, er würde allein nach Paris fahren, noch heute Abend würde er reisen, und er würde in Paris siegen, für sie siegen und ihr Glück mitbringen, endlich Glück für seine Geliebte, Glück, Glück für seine Liebste.

XCIII

    Aufgewacht, denkt er an die Unglückliche, die ihn in Agay erwartet, ihn geduldig erwartet, sich nicht traut, ihn zu fragen, warum sie ihm postlagernd schreiben soll, warum er ihr nicht den Namen seines Hotels mitteilt. Ja, Liebste, im George V wohnt der Luxuspenner. »Zurück ins Leben«, hatte er gerufen, als er in den Schlafwagen stieg, und er hatte der schönen Reisenden im Gang zugelächelt, und sie hatte zurückgelächelt, und unzählige Küsse mit ihr in der Nacht, unzählige Küsse mit Béatrice.

    Er reibt sich das Kinn, wo die harten Barthaare ihn jucken. Nicht mehr rasiert seit dem Fiasko mit dem Albino, ein Vieltagebart, sechzehn vielleicht. Welches Datum haben wir heute? Er beugt sich nach unten, hebt die Zeitung auf, liest das Datum. Montag, der 10. September 1936. Ein Dreizehntagebart also. Ein Tapirgesicht, dieser Albino. Am Tag nach seiner Ankunft in Paris Béatrice Riulzi nach London weitergereist, sein Vorsprechen in der Rue de l’Université. Sein hartnäckiges Beharren darauf, vom ranghöchsten Beamten empfangen zu werden, vom Direktor, Hartnäckigkeit eines Unglücklichen, jüdische Hartnäckigkeit. Im Zug noch so selbstsicher Béatrice gegenüber, ein Charmeur, wie sie sagen, selbstsicher, weil es nur um Sex ging. Doch vor dem Direktor linkisch plötzlich, und ein viel zu aufdringliches Lächeln. Die Worte des Albinos wie ein Fallbeil nach dem Blick in seine Akte. Unrechtmäßige Einbürgerung, nicht ausreichend langer vorheriger Aufenthalt im Land. Er war gegangen, und er war durch die Straßen geirrt, ohne Stand und ohne Land, ein chemisch reiner Jude.

    Er blickt seine Hand an, die sich bewegt, und küsst sie, um nicht allein zu sein. Wieder an der Börse spekulieren, um sich mit Reichtum zu rächen? Spekulieren darf auch ein Ausgestoßener. Einem Paria kann man alles verbieten, außer der Vermehrung

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