Die Schöne des Herrn (German Edition)
Dauer nicht wirken. Zu dem Dickwanst vom Conseil d’État gehen und ihn anflehen, sie einzuladen, ihm Geld dafür bieten? Nein, das schickte sich nicht. Und besonders erbärmlich und ungerecht war, dass sie ihm als ständige Begleiterin in seiner Tauchkugel auf die Nerven ging. Ihr Magenknurren ging ihm auf die Nerven. Ihre ätherischen Liebkosungen nach dem Koitus gingen ihm auf die Nerven. Ihr Genfer Akzent ging ihm auf die Nerven.
Und all diese kapitalistisch angehauchten Bemerkungen. Eines Tages hatte sie mit amüsierter Geringschätzigkeit gesagt, es sei ganz erstaunlich, wie sehr Mariette das Geld liebe, welche Bedeutung sie dem Geld beimesse, wie sie ständig über Geld rede und ganz begierig sei zu erfahren, wie viel Madame Ariane für diese Schuhe, diese Handtasche oder dieses Kleid bezahlt habe. »Diese seltsame Begierde, den Preis von jedem Gegenstand zu erfahren«, hatte sie mit schrecklich nachsichtiger Verachtung hinzugefügt. Tja, Madame, Sie und ihresgleichen, Sie können sich den Luxus erlauben, das Geld nicht zu lieben, nie darüber zu sprechen, nicht daran interessiert zu sein. Sie brauchen ja nur auf die Bank zu gehen. Und immer diese leutselige und schlossherrinnenhafte Art, mit der sie zu den Hausangestellten sprach. Und wie sie neulich Abend aufgelebt war, als sie vom Tee gesprochen hatte, diesem heiligen Getränk ihrer Artgenossen, der Besitzer der Produktionsmittel. »Auf Tee reagiert man sehr empfindlich, finden Sie nicht, Geliebter? Es kommt ganz auf den physischen Zustand an. Zum Beispiel, wenn es einem nicht gut geht, dann schmeckt er einem weniger. Oder wenn man drei Tage lang darauf verzichten musste, dann findet man ihn ganz ausgezeichnet, nicht wahr?« Sie hatte dieses »ausgezeichnet« in vier Stücke geschnitten, um seine Wichtigkeit zu betonen, und er hatte sie verwundert angeblickt. Wie hatte sich seine geniale Närrin seit Genf verändert. Und ihre krankhafte Leidenschaft für Blumen. Ständig stellte sie diese Leichen irgendwohin, in den Salon, ins Vestibül, in ihr Zimmer. Gestern hatte er sich ihre endlosen Ergüsse über die Herbstblumen anhören müssen, die sie besonders liebte, mit vollständiger Beschreibung der Dahlien, Astern und anderer Gräser. Die Dahlie sei eine sinnliche, schwere und reiche Blume, die sie irgendwie an Tizian erinnere, »finden Sie nicht auch, Geliebter?« Und dann diese krankhafte Besessenheit, mit der sie die Schönheiten der Natur pries. »Geliebter, kommen Sie, schauen Sie sich die Färbung dieses Bergs an.« Schön, er war hingegangen, und es war einfach nur ein Berg gewesen, ein großer Stein. O sein Ionisches Meer, Frühling der Antike, zarte Durchsichtigkeiten. »Geliebter, schauen Sie sich diesen Sonnenuntergang an.« Zum Teufel damit. Überhaupt diese Besessenheit von der Aussicht, die wahrscheinlich von ihren Schweizer Bergen herrührte. Ständig fragte sie, ob man von dem und dem Ort eine schöne Aussicht habe, manchmal ließ sie das »schön« sogar weg. Außerdem schminkte sie sich jetzt, was ihr gar nicht stand. Und was damals im Donon geschehen war, wiederholte sich jetzt so oft. Sie schnäuzte sich viel zu vornehm, was ihn auf die Palme brachte. Nun mach schon, entleere deine Nase ein für allemal, murmelte er dann innerlich. Und gleich danach Scham, Mitleid und Reue, eine solche Reue, dass er am liebsten vor ihr auf die Knie gefallen wäre. Aber die verstopfte Nase blieb, und man hörte es ihrer Stimme an, was ihn absolut auf die Palme brachte. Und manchmal roch sie aus dem Mund. Verzeihung, Geliebte, Verzeihung. Ja, Verzeihung, aber es stimmt leider, dass du heute aus dem Mund riechst, und ich kann nichts dafür, ich rieche es einfach. Das Schlimmste aber war, dass er manchmal ganz plötzlich eine merkwürdige grundlose Abneigung gegen sie empfand, vielleicht weil sie eine Frau war.
Tja, da sitzt die Unglückliche und will es sich nicht anmerken lassen, aber sie beobachtet unaufhörlich die Idioten da drüben, traurig, nicht dabei zu sein, gedemütigt, weil sie sie nicht besucht haben. Verständlich, seit sie hier in Agay lebten, hatte sich das gesellschaftliche Leben auf die heimlichen Frühstücke mit Mariette beschränkt. Erneutes Gelächter gegenüber. Eine hübsche Kleine hatte sich einen Männerhut aufgesetzt, und man applaudierte ihr und rief, schick, Jeanne, schick, Jeanne, schick! Doch hier im schönen Salon mit seinen herrlichen Blumen das Schweigen des Todes.
»Sind Sie einverstanden, dass ich Unterricht in
Weitere Kostenlose Bücher