Die Schöne des Herrn (German Edition)
übelnahm. Und neulich das Gesicht dieses Kerls, als er ihm sagte, er habe sein Portemonnaie vergessen, dieses misstrauische Gesicht, dieses Gesicht eines ehrlichen Mannes gegenüber einem verdächtigen Individuum. Offizier müsste man sein, aber nur Oberleutnant. Gehorchen, befehlen, an seinem Platz sein, seinen Platz kennen, klare Beziehungen zu den anderen haben. Oder mit einem Kätzchen leben, das nicht wüsste, dass er ein Ausgestoßener ist, das glücklich mit ihm wäre, ohne ihn unbewusst zu verurteilen, unbefriedigt und untreu. Er würde es in seinem Zimmer im George V halten, es wild küssen und zu ihm sagen: »Geliebtes Schätzchen, wir sind glücklich miteinander, du brauchst nur mich.« Der versiegelte Umschlag. Sie hatte sich solche Mühe damit gegeben. Der große Umschlag, der postlagernd angekommen war und der den versiegelten Umschlag und den kleinen Brief enthalten hatte. Er kennt ihn auswendig, diesen kleinen Brief. Rufen wir ihn uns noch einmal in Erinnerung. »Geliebter, in dem anderen Umschlag, dem versiegelten, sind Fotografien von mir. Ich habe sie ganz allein mit einem automatischen Auslöser aufgenommen. Ich warne Sie, sie sind etwas gewagt. Sollte diese Idee Ihnen missfallen, bitte ich Sie inständig, zerreißen Sie diese Fotografien, ohne sie anzuschauen. Wenn Sie sie doch anschauen und sie Ihnen gefallen, telegrafieren Sie mir, damit ich es weiß. Natürlich habe ich sie selbst entwickelt und abgezogen. Öffnen Sie den versiegelten Umschlag nur, wenn Sie allein sind und wenn sie es wirklich wollen.« Den Gehsteig zu wechseln wird mir Glück bringen. Ja, die Straße überqueren. Nein, grünes Licht, ich muss warten. Wenn es rot wird, bevor ich bis sieben gezählt habe, wird alles gut gehen. Bei sechs rot. Achselzuckend überquert er die Straße. Maurer sitzen an die Hauswand gelehnt, essen und unterhalten sich, während sie ihre Wurst kauen. Eine Kommunion, ein so schöner Ritus.
Straßen, Straßen. Sich schnell beschäftigen, schnell noch mehr Worte, die Leere füllen. Das Unglück lauert beim geringsten Schweigen. Zu einem Arzt gehen? Nachdem er im Wartezimmer vor der zu Tode verwundeten Tigerin gewartet hat, wird er für eine Viertelstunde einen Freund haben, einen Bruder, der sich für den Preis von zwanzig Francs oder hundert Francs für ihn interessiert und einen parfümierten Kopf an seine nackte Brust legt. Hundert Francs, das ist nicht zu teuer für eine Viertelstunde Güte. Nein, der Kerl wird verlangen, dass er sich für die Untersuchung nackt auszieht, und dann wird er sehen, bemerken, dass. Die Ärzte sind Antisemiten. Die Anwälte auch. Er vielleicht auch. Ja, im Hotel wird er die Fotos zerreißen, ohne sie anzusehen. Oder zu einem Friseur gehen, der sich um ihn kümmern wird, ihn rasiert, mit ihm redet, ihn gern hat. Die Friseure sind weniger antisemitisch als die Selbständigen, es sei denn, man hat zu krauses Haar. In der Zeitung diese Kinderleiche im Wald von Fontainebleau. Sie werden behaupten, es sei ein Ritualmord gewesen, und er hat kein Alibi. Die Zeitung, die der schöne junge Mann gestern auf den großen Boulevards angepriesen hat. »Kaufen Sie den
Antijuif!
« Eine Menge Leute haben den
Antijuif
gekauft. Auch er hat nicht widerstehen können. Im Gehen hat er die Zeitung gelesen, hat Passanten angerempelt, während er sich die Karikatur des dickbäuchigen Bankiers mit Zylinder und riesiger Nase angesehen hat. Wenn er nur wieder geheilt wäre und nicht ständig an ihren Hass denken müsste. Jemanden fragen, wie man zur Place de la Concorde kommt, um wieder normale Beziehungen zu haben, sich an die Menschen zu gewöhnen, geheilt zu werden. Vielleicht wird der Kerl ihm freundlich Auskunft geben. Oder um Feuer bitten. Der Kerl lächelt gütig, während man sein Feuer ansaugt, um die Zigarette anzuzünden.
Straßen, Straßen. Den unreinen und gemeinen Geschmack, die fettige Traurigkeit der zerkauten Erdnüsse im Mund, läuft er mit gebeugtem Rücken und stilettspitzem Blick. Eine weitere Grünanlage. Ein Hund schnuppert an einem Baum nach einem inspirierenden Geruch. Glücklicher Hund. Los, schnell, Gedanken, was immer ihm gerade einfällt. Wie soll man all ihre Geschichten glauben, wenn man sie von draußen sieht? »Gott, erlaube, dass ich lache«, murmelt er und blickt sich um, ob ihn auch niemand hört. In Wirklichkeit hat die Angst vor dem Tod ihnen eine Gehirnkolik verpasst, und sie haben diese Diarrhö geliebt. »Ihr Patriotismus, dass ich nicht lache«,
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