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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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mit den Gesten eines Betrunkenen. Goldig, dieses Baby, ungefährlich, kein Judenrichter. Er hat Lust, es zu küssen. Nein, zu blond, Antisemit in zwanzig Jahren. Er verlässt die Grünanlage. Ein Regiment. Fremdenlegion, weißes Képi. Glücklich diese Kerle der Legion. Gehorsam, Befehle erteilend, niemals allein. Er bemerkt, dass er das Regiment mit verachtungswürdigem militärischem Schritt begleitet, Schande des Menschengeschlechts, im Takt der Marschmusik, ganz in der Nähe eines Oberleutnants mit Galgenvogelgesicht und langen Koteletten. Und wenn er sich anwerben ließe? Man würde ihn nicht nach Papieren fragen, und er würde einen falschen Namen angeben. Jacques Chrétien vielleicht.

    Die Kirche von eben. Kein roter Teppich mehr. Heute Abend eine Jungfrau weniger. Schade, es gibt nicht mehr so viele. Die Glocken der Kirche läuten, aber nicht für ihn. Sie rufen die Glückspilze, die Zusammengeklumpten, laden sie ein, zur köstlichen Pflicht zu kommen, sich aneinander zu wärmen, gemeinsam im Warmen zu sitzen, gemeinsam wie die majestätisch tiefen Klänge, die sie durch die Lüfte hallen lassen, majestätisch tiefe Klänge des Glücks und der Versammlung, majestätisch tiefe Klänge, die sich verfolgen und sich umarmen. Konvertieren? Nicht aus Überzeugung, niemals wäre er dazu imstande, doch um dazuzugehören, um akzeptiert zu werden. Aus Klugheit und auch aus Leidenschaft wäre er katholischer als sie, ohne an ihre Dogmen zu glauben. Doch in ihre Orden eingetreten, zu einem großen, von allen geachteten, von allen geliebten Prediger geworden, würde er ihre Dogmen rühmen und preisen. Was für Kontakte hätte er dann, was für Freundschaften. Ja, von allen geliebt, das vor allem. Schon wieder ein Polizist, der ihn dümmlich und unverschämt wie ein Ochse anblickt. Er wechselt auf die andere Straßenseite.

    Straßen, Straßen. Er läuft, läuft, mit hungrigem Herzen und argwöhnischem Auge, läuft und läuft, traurig vor sich hin singender Jude, falsch singender Jude, zuweilen die Augen wie ein Irrer weit aufreißend, um sich die Zeit zu vertreiben, zuweilen weitere geröstete Erdnüsse kauend, seine öligen Gefährten, zuweilen in einen Spielsalon tretend und die rollenden Kugeln der elektrischen Billardtische beobachtend, meist in den Bart murmelnd und die Arme rhythmisch bewegend. Zu Ostern nach Rom fahren, um in der Menschenmenge dem Papst zuzujubeln. Niemand wird wissen, wer er ist, er kann nach Herzenslust mit den anderen »Es lebe der Papst« schreien. Neulich das Lied der Wolgaschiffer im Radio. Oh, ein Land, wo die Menschen gastfreundlich sind, ihn auf die Lippen küssen würden. Los, rede, geh, bleib nicht stehen, sag irgendwas. Die Schrullen eines Schriftstellers nähren sein Werk. Bei dem hier die Pingeligkeit, die dazu führt, dass er dem Gelingen seines Krawattenknotens größte Bedeutung beimisst, und dieser lächerlichen Pingeligkeit verdankt sein Werk seine Schönheit, diese Körnigkeit, diesen Reichtum an Details. Seine Angst, Aufmerksamkeit zu erregen. Der gesenkte Blick, um zu glauben, man sehe ihn nicht. Ein Verdächtiger von Geburt an. Werden sie einen Antisemiten aus ihm machen? Ist er es bereits? Und sein Stolz, verdeckt er nicht Scham und Hass? Stolz, weil man nicht anders kann? Los, reden, reden, um sein Schicksal nicht zu kennen, schnell reden, oh, wenn die Worte doch nur kommen wollten. Mit welchem Ernst Ariane ihm zuhört, wenn er ihre Schönheit preist, sie nimmt es mit glücklichem Aufatmen zur Kenntnis und macht ein Musterkindgesicht. Geliebte, Treue, Leichtgläubige, geschaffen, um betrogen zu werden. Sie hätte einen bergsteigenden Lord gebraucht, einen Schwachkopf mit Charakter. Kein Glück gehabt, die Arme.

    Noch mehr Worte, schnell, irgendwas, das Unglück mit Worten zudecken. Als Untergeneralhanswurst hatte er sich jeden Tag zu denen begeben, die ihm in einer Art Bruderschaft als Ersatz für seinesgleichen gedient hatten, man hatte gemeinsam Dummheiten gemacht, und diese Bruderschaft war etwas Heilsames gewesen. Mehr Worte, schnell, wenn man zu reden aufhört, tritt das Unglück ein. Er weiß nie, wie viel Wechselgeld man ihm herausgibt, er kann nie nachrechnen, ob es stimmt, und deshalb tut er immer so, als ob er es nachprüfe, um den Händler nicht zu schockieren. Wie diese Frau im Lebensmittelladen, die, als sie merkte, dass sie ihm zu viel Geld herausgegeben hatte, so nett lachte, um ihm zu zeigen, dass sie ihm die Gefahr eines drohenden Verlustes nicht

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