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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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das wird ihnen eine Lehre sein. Er zieht einen Tausenddollarschein aus der Innentasche seines Jacketts, reibt ein Streichholz, verbrennt den Schein, dann einen zweiten, dann einen dritten. Nicht amüsant.

    Die falsche Nase, schnell! Er holt sie aus dem Paket, hält sie an seine Lippen, schmückt sich damit vor dem Spiegel, befestigt das Gummiband und bewundert sich. So, jetzt ist er vollständig, voll ausgerüstet mit dem majestätischen Auswuchs des Lebenswillens, der zu beträchtlicher Größe angewachsen ist, weil er stets den Feind wittern und die Fallen und Hindernisse erschnüffeln musste. Den Koffer der Irrfahrten in der Hand, geadelt durch den königlichen und alles beherrschenden Zinken aus Pappe, der nach Klebstoff und Keller riecht, o Silbersteins, o seine Rachel, geht er mit gekrümmtem Rücken, Gottes Buckliger, mit spähenden Blicken, schlurfend und mit baumelndem Koffer, durch die Zeiten und die Länder wandernd, überspannt vor sich hin redend und mit vielgestaltigen Händen gestikulierend, die Lippen geöffnet im resignierten Lächeln neurasthenischen Wissens, geht, plötzlich stumm und mit gedankenvollen Lidern, plötzlich die Heiligkeit des Ewigen verkündend, plötzlich den Oberkörper wiegend, plötzlich einen lebhaften Seitenblick riskierend, erschrocken und erschreckend vor Schönheit, ein Auserwählter. Ja, vor ihm im Spiegel Israel.

    Nackt jetzt und mit glattem Gesicht, öffnet er den alten Koffer, nimmt das seidene Synagogentuch heraus, küsst die Fransen, bedeckt damit seine Nacktheit, spricht den Segen, bindet sich die Gebetsriemen um den Arm und spricht den Segen, nimmt dann die Krone des Purimfestes heraus, die Krone Rachels, eine Pappkrone, die er auf seinen Irrfahrten immer dabei hat, verbeult und mit Glasperlen geschmückt, setzt sie sich auf und schreitet durch die Nächte und Jahrhunderte, melancholisch und in antiker Schönheit, verweilt vor diesem einsamen König im Spiegel und lächelt seinem Spiegelbild zu, Gefährte seines Lebens, Bewahrer seiner Geheimnisse, seinem Spiegelbild, das allein weiß, dass er König in Israel ist. »Ja«, flüstert er seinem Spiegelbild zu, »sie werden die Freudenmauer errichten, und im blauen Tempel wird das fließende Wasser singen.«

    Er zuckt zusammen. Die Polizei? Er fragt, wer da ist. Der Laufjunge des Blumenhändlers. Er zieht einen Schlafrock über, nimmt die falsche Nase ab, öffnet die Tür einen Spalt, macht sie schnell wieder zu und legt den Strauß in die Badewanne. Und was jetzt? Aber ja, essen, ja, lieber Freund, essen. Das Essen bleibt ihm, das Essen betrügt nicht. Seine Majestät wird essen. Er nimmt den Telefonhörer ab und bestellt Kuchen, um nicht warten zu müssen, um sofort etwas Glück zu haben.

    Nachdem er sich das vor die Tür gestellte Tablett genommen hat, schließt er schnell wieder ab, lässt die Rollläden herunter und zieht die Vorhänge zu, um das Draußen auszusperren, schaltet das Licht an, stellt das Tablett mit dem Kuchen auf den Tisch, den er vor den Schrankspiegel schiebt, um einen Tischgenossen zu haben, beginnt zu essen und blättert dabei im Saint-Simon. Von Zeit zu Zeit blickt er in den Spiegel, lächelt sich zu, lächelt dem Armen zu, der da ganz allein und brav und lesend isst, der sein Schicksal hinnimmt und sich daraus ein kleines Glück schafft. Dann setzt er die Lektüre Saint-Simons fort, erfährt von diesem kleinen gesellschaftlichen Mistkerl, wie sehr er vom ganzen Hofe verhätschelt und mit Komplimenten bedacht worden war, weil Seine Majestät ihn mit einem Satz geehrt hatte, ihm gesagt hatte, Sie würde ihm das gleiche Wohlwollen entgegenbringen, das Sie einst seinem Vater bezeugt hatte. Schon früh am Morgen waren diese Herzöge und Marquis auf den Beinen, um ihre Kommentare über die Laune und die noch dampfenden Exkremente Seiner Majestät abzugeben, um zu erfahren, wer in Gnade und wer in Ungnade steht, um sich bei Ersteren gut zu stellen und Letztere zu meiden, und vor allem, um von dem Exkrementierer auf seinem Kackstuhl gesehen zu werden und ihm zu gefallen. Schlaue Hunde. Selbst Racine bekannte reumütig seine Sünden vor dem Thron, um die Gunst des Herrschers zu gewinnen. Hunde, aber glückliche Hunde.

    Plötzlich ertönt, von einer Menschenmenge gesungen, die Marseillaise im Radio. Sein Blut gerät in Wallung, er erhebt sich sofort und steht reglos da. In Habachtstellung, die Hand lächerlich im militärischen Gruß an der Schläfe, vor Liebe zitternd und Sohn Frankreichs, mischt

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