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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Dieses Glück kann ihm niemand rauben. In Ermangelung einer brüderlich gesungenen Marseillaise, in Ermangelung der Coldstream Guards, die dem Vertreter Frankreichs die militärischen Ehren erweisen, wenigstens unanständige Fotos! Auch wir haben unser Glück, genau wie Sie, meine Herren!

    Nein, kein Diner, kein Hunger, Ekel. Schnell Glück. Er bricht die Siegel auf, öffnet den Umschlag, schließt die Augen, nimmt irgendein Bild. Nicht sofort hinsehen, sich vorbereiten, sich sagen, dass ein Glück ihn erwartet. Er bedeckt das Bild mit der Hand und öffnet die Augen. Langsam lässt er seine Hand nach unten gleiten. Oh, wie schrecklich. Er schiebt die Hand wieder hinauf, um nur noch das Gesicht zu sehen. Ja das ist das Gesicht einer Aristokratin, das Gesicht einer Tochter jener, die nichts von ihm wissen wollen. Ein ehrliches, anständiges Gesicht, doch sobald man die Hand wegnimmt, was für ein Gegensatz. Jetzt andere Fotos. Ariane als leidenschaftliche Nonne. Ariane als kleines Mädchen im kurzen Rock und mit nackten Waden, und sie macht eine schreckliche Geste. Und das da, noch schlimmer. Sehr gut, Solal, sinke nur immer tiefer. Armer, durch die Einsamkeit zerrütteter Liebling, dieses schreckliche, in der Gärung der Einsamkeit geborene Talent. Er schaut sich die Fotos aufmerksam an, breitet sie aus, begehrt sie, begehrt seinen Harem. Sehr gut, mitten im Unglück gelingt es ihm, Interesse zu zeigen, zu begehren. Oh, der Albino, so ordentlich frisiert, der glücklich zu Frau und Kindern heimkehrt, er braucht keine unwürdigen Fotos, um glücklich zu sein. Er steht auf und zerreißt sie. Und was jetzt? Liebe! Zu Ariane, zu seinem Vaterland! Ja, noch heute Abend abreisen, die Koffer packen, sich anziehen, zum Bahnhof gehen!

    Nachdem er die Koffer in der Gepäckaufbewahrung abgegeben hat, irrt er über den Boulevard Diderot, wartet, dass der Zug bereitsteht. Plötzlich, in der Nacht und im dunstigen Straßenlicht erkennt er sie, wie sie aus dem Bahnhof kommen, hintereinander, zu zweit oder zu dritt, die einen mit breiten, bis auf die Ohren heruntergezogenen schwarzen Filzhüten, die anderen mit flachen pelzverbrämten Samtmützen, alle in endlos langen schwarzen Mänteln, die Alten mit geschlossenen Regenschirmen, alle mit Koffern, gebeugt und schlurfend und leidenschaftlich diskutierend. Er erkennt sie, erkennt seine geliebten Väter und Untertanen, demütig und würdevoll, fromm und strenggläubig, unerschütterlich, Gläubige mit schwarzen Bärten und Schläfenlocken, vollkommen und unnachgiebig, skurril in ihrem Exil, gefestigt in ihrer Skurrilität, verachtet und verachtend, gleichgültig dem Gespött gegenüber, herrlich stolz ihren Weg gehend, stolz auf ihre Wahrheit, verachtet und verspottet, die Großen seines Volkes, gekommen vom Ewigen und Seinem Sinai, Träger Seines Gesetzes.

    Er hat sich genähert, um sie besser sehen zu können und ihren Anblick zu genießen, und folgt ihnen durch die nächtlichen Straßen, mit gebeugtem Rücken wie sie, wie sie mit gesenktem Kopf und wie sie verstohlen rasche stilettspitze Blicke um sich werfend, folgt Gottes Buckligen, in Bann geschlagen von den krummen Rücken und den schwarzen Mänteln und den Bärten, folgt Gottes Bärtigen, voller Liebe für sein Volk und sein Herz damit füllend, folgt den schleifenden Mänteln und den schlurfenden Füßen und den unvermeidlichen Koffern, folgt ihnen und murmelt, wie schön sind deine Zelte, o Jakob, und deine Häuser, o Israel, folgt seinen geliebten und schwarzen Priestern, Väter und Söhne von Propheten, folgt seinem auserwählten Volk und füllt sein Herz damit, Israel, seine Liebe.

    Sie sind vor Kohn’s Restaurant stehengeblieben und diskutieren, dann entschließen sie sich, treten ein und setzen sich, die Koffer zwischen ihren Füßen in Sicherheit. Er beobachtet sie von draußen durch das Fenster und die Vorhänge, beobachtet seine Irrfahrer mit den sehnsuchtsvollen Augen, seine geliebten Väter und Untertanen, die sich die Bärte streichen und ihre Pässe streicheln, ihre schmerzenden Nieren oder die überbeanspruchte Leber betasten und mit gestikulierenden und denkenden Händen äußerst leidenschaftlich argumentieren. Scharfe Blicke durchdringen, folgern und wissen, Finger kraulen nachdenkliche Bärte, Nasen berechnen, Brauen schätzen ab, gesenkte Lider ziehen Schlüsse. Lebensrot unter dem schwarzen Barthaar, zu rot und wulstig, öffnen sich Lippen in resigniertem Lächeln neurasthenischen Wissens, schließen

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