Die Schöne des Herrn (German Edition)
den Dachboden Tantléries, wo sie und ihre Schwester während der Ferien heimlich als große Schauspielerinnen auftraten in alten, aus Truhen hervorgekramten Kleidern, zwei magere, zu rasch gewachsene Jugendliche, die mit ersterbenden Gesten und leidenschaftlichem Röcheln eine Tragödie deklamierten, sie die vor Liebe heisere Phädra, Éliane der getreue Hippolyt, und dann plötzlich übermütiges Gelächter, Gelächter der Jugend. Sie machte Licht, um nach der Zeit zu sehen. Bald Mitternacht und immer noch kein Schlaf. Sie nahm sich noch einmal das Foto von ihr als Dreizehnjähriger vor und betrachtete es aufmerksam. Reizend dieses kleine Mädchen mit dem Lockenkopf und der großen Schleife im Haar.
***
Im Badezimmer, in kurzem Tennisrock und engem Trikot, das ihre herrlichen Brüste zur Geltung brachte, mit nackten Waden, Tennissocken und Tennisschuhen, schminkte sie sich Lippen und Augen, befeuchtete ihr Haar, drehte sich Korkenzieherlocken, band sich ein breites blaues Band ins Haar und trat zurück, um sich besser im Spiegel sehen zu können. Dieses geschminkte kleine Mädchen irritierte sie. Sie setzte sich, schlug die Beine übereinander, befeuchtete sich mit spitzer Zunge die Oberlippe und schlug die Beine noch höher übereinander.
»Nein, nein«, murmelte sie und stand abrupt auf, wischte sich die Schminke ab, glättete die Locken, legte die kindliche Verkleidung ab und verharrte reglos. Ja, mit ihm reden, ihm alles gestehen, sich endlich befreien. Es war unwürdig, es ihm so lange verheimlicht zu haben. Neu frisiert, schlüpfte sie in einen Morgenrock und weiße Sandalen, parfümierte sich, um sich Mut zu machen, und fragte den Spiegel um Rat.
XCVI
»Ja das ist die Lösung Wahnsinn vortäuschen behaupten sie sei die Königin meine Mutter und ich der König ihr Sohn der König mit der Krone der Zwergin Rachel meiner geliebten Zwergin die sie mir am Tag der Karosse im Keller gegeben hat sie wollte dass ich die zerbeulte Pappkrone mit den falschen Steinen mitnehme die Krone des Purimfestes des Festes der Königin Esther gelobt sei sie ja ich werde mit meiner Krone auf dem Kopf manchmal schielen und Grimassen schneiden um echt zu wirken um sie zu überzeugen dass ich verrückt bin aber danach sofort ein nettes Lächeln um sie zu beruhigen ja derart Verrückter und Sohn werde ich sie voll und ganz lieben können ohne den Liebhaber spielen zu müssen das animalische Spiel des Liebhabers ohne sie verprügeln zustöpseln stoßen zerbeulen zu müssen ja endlich befreit von der Pflicht sie zu beherrschen sie mir durch den Zusammenprall der beiden armseligen schwitzenden Fleischmassen gefügig zu machen ja befreit von der Leidenschaft ohne sie demütigen zu müssen ohne die arme Kleine zu demütigen mit einem Sohn geht man nicht ins Bett ein Sohn soll nur zärtlich lieben oh sie zärtlich lieben das will ich gern tun o Wunder ich brauche mich nicht mehr abzuquälen aus jedem Tag einen ersten Tag der Liebe zu machen ein Sohn braucht keine Flammen zu speien o Wunder ich brauche nicht mehr an meinem Ansehen zu arbeiten brauche nicht mehr der eindrucksvolle Liebhaber mit gefiltertem Blick zu sein brauche nicht mehr den Finsteren den Geistesabwesenden zu spielen o Wunder keine wilden Zungenküsse mehr bei denen die beiden Partner so blöde Gesichter machen dass sie sich totlachen oder vor Scham am liebsten im Boden versinken würden wenn sie ihren hündischen Ausdruck sehen könnten o Liebling Liebling endlich zärtlich sein ohne Gefahr ohne Furcht dass du meine Zärtlichkeit eintönig finden könntest ohne Furcht dass du darin ein Zeichen der Schwäche sehen könntest jener Schwäche die sie verachten diese närrischen Anbeterinnen des Gorillagehabes und außerdem Liebling könntest du erkältet sein soviel du willst nach Herzenslust den Magen knurren lassen ganz ungeniert ihn knurren lassen ihn knurren lassen ganz nach Lust und Laune eine niesende sich schnäuzende magenknurrende oder gar aus dem Mund riechende Mutter die man darum nicht weniger liebt ja nicht weniger und vielleicht sogar noch mehr liebt wenn sie so allerliebst niest oder vielleicht besser einen Vater-Tochter-Wahnsinn vortäuschen nein Sohn und Mutter ist besser eine Mutter verlässt niemals ihren Sohn während die Tochter letztlich immer mit einem Gorilla davonläuft sich von den langen haarigen Armen des Gorillas davontragen lässt und sie liebt ihren Vater dann nicht mehr und am Hochzeitstag spuckt sie ihm ins Gesicht und schreit ihn wütend
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