Die Schöne des Herrn (German Edition)
traurige Leben mit einem Mann, den du nicht geliebt hast.«
»Ich danke dir für dein Verständnis«, sagte sie und deutete ein blasses, vornehmes und leidendes Lächeln an, das ihn auf die Palme brachte.
»Und bis wann hat es gedauert?«, fragte er, weiterhin ihr Haar streichelnd.
»Am Tag nach dem Ritz habe ich ihm natürlich geschrieben, um ihm zu sagen, dass es aus sei.«
»Hast du ihn danach noch gesehen?«
»O nein!«, rief sie.
Mit zitternden Zähnen biss er sich auf die Lippe, um seine Wut in sie abzuleiten. Zu allem Überfluss leistete sie sich auch noch die Entrüstung der gekränkten Unschuld! Dafür würde sie büßen müssen.
»Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
Sie schwieg und ergriff wieder seine Hand. Dieser Edelmut machte ihn rasend. Doch Geduld. Zuerst musste er alles erfahren.
»Ich konnte es doch nicht ahnen«, sagte sie leise mit niedergeschlagenen Augen.
»An dem Tag des Ritz?«, fragte er sanft.
»Ja«, hauchte sie und drückte fest seine Hand.
»Wann?«
»Kann ich wirklich offen reden?«
»Ja, Liebling.«
Sie blickte ihn an, lächelte schüchtern und dankbar und küsste ihm die Hand.
»Kurz bevor ich in Cologny abfuhr, habe ich ihn angerufen, um ihm guten Abend zu sagen, um ihm zu sagen, dass ich mich mit meinem Mann im Ritz treffen müsse, und er hat mich so sehr angefleht, auf einen Augenblick zu ihm zu kommen.«
»Und du bist hingegangen?«
»Ja.«
»Und was ist geschehen?«
Sie antwortete nicht, senkte den Kopf. Er stieß sie aus dem Bett, und sie fiel zu Boden, wo sie in lächerlicher Stellung sitzen blieb, mit weit geöffnetem Morgenrock, der ihre leicht gespreizten Schenkel entblößte. Abscheulich, dieses Geschlecht. Dieses Geschlecht, das ein anderer schon benutzt, besucht hatte.
Ohne aufzustehen schloss sie den Morgenrock, während er die Fäuste ballte und die Augen schloss. Schamgefühl, sie wagte es, Scham zu empfinden! So hatte sie also am Abend des Ritz mit dem anderen geschlafen, und drei Stunden danach hatte sie die Stirn gehabt, ihm die Hand zu küssen, die Hand des Unbekannten, der er für sie war, mit Lippen, die noch feucht waren von denen des anderen! Geschlafen hatte sie mit ihm, geschlafen, und drei oder vier Stunden später, als sie bei ihr gewesen waren, in dem kleinen Salon, hatte sie am Klavier die reine Jungfrau gemimt, hatte ihm einen Choral vorgespielt, eine Musik der Reinheit, und vier Stunden zuvor hatte sie ihre Schenkel gespreizt, diese Bachspielerin! »Lassen Sie mich gehen, lassen Sie mich nachdenken über das, was mir geschieht«, hatte sie ihm in dieser Nacht beim Abschied gesagt, hatte sie die Stirn gehabt, ihm zu sagen, diese beschlafene Jungfrau, und mit welch edel konzentrierter Unschuldsmiene! Die ach so fromme Unberührbare, die Jungfrau, die noch fünf Stunden zuvor Gott weiß was berührt hatte! O dieser schamhaft geschlossene Morgenrock!
»Öffne deinen Morgenrock!«
»Nein.«
»Öffne ihn! Wie bei ihm!«
»Nein«, sagte sie und blickte ihn mit blöden Augen und halb geöffnetem Mund an.
Sie stand auf und band den Gürtel ihres Morgenrocks zu. Er lachte. Nur vor ihm bedeckte man sich also! Nur er hatte nicht das Recht, sie nackt zu sehen! Er sprang aus dem Bett und zerrte an dem dünnen Stoff, der in ganzer Länge zerriss. Er riss auch die losen Zipfel ab, um sie mit nacktem Hintern, entehrt, fliehen zu sehen. Er folgte ihr in ihr Zimmer, und während sie sich unbeholfen einen anderen Morgenrock anzog, empfand er Mitleid mit ihr, mit diesem schwachen Geschöpf, diesem auserwählten Opfer. Ach was, der andere hatte ja auch wie er eben ihren nackten Hintern gesehen, genau denselben Hintern. »Für immer«, hatte sie im Ritz zu ihm gesagt, als sie getanzt hatten. Und drei Stunden zuvor die gastlichen Schenkel und das einladende Lächeln!
»Du hast am Abend des Ritz mit ihm geschlafen?«
»Nein.«
»Du bist seine Mätresse gewesen?«
Sie schüttelte den Kopf, hartnäckig, idiotisch, mit großen runden Augen. Zu dumm, dass er sich nicht beherrscht hatte, dass er sie zu Boden gestoßen hatte. Jetzt hatte sie Angst und würde nichts mehr gestehen.
»Gib zu, dass du seine Mätresse gewesen bist.«
»Ich bin nicht seine Mätresse gewesen.«
Wie ein Tier, das sich tot stellt. Es tat ihm weh, sie so abgestumpft zu sehen. Aber Küsse hatte es auf jeden Fall gegeben, drei Stunden vorher! Drei Stunden vor dem schönsten Augenblick ihres Lebens!
»Du bist nicht seine Mätresse gewesen?«
»Nein.«
»Warum hast du
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