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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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ich in das Zimmer in dem das Pferd die ganze Zeit auf der Stelle galoppiert die Riesin sich die ganze Zeit grüne Männchen aus dem Haar kämmt und dann trete ich in das Zimmer mit der Pyramide der Gestikulierenden aufeinander stehende schreiende Menschen Zungen lecken die Stiefel der auf ihnen Stehenden deren Absätze die Schädel der Leckenden darunter einschlagen und der Speichel rinnt an der Pyramide hinunter ergießt sich bis zum Überlaufen in das flache Becken und hinter dem Altar aus Ton und Granit bäumt sich der Bock im zügellosen Koitus o diese hochgewachsene Kaiserin mit blonder Perücke die den nackten Leib einer großäugigen Sklavin mit Küssen bedeckt ich habe Angst vor dem was mich später erwartet und um es nicht zu erfahren gehe ich hinaus irre durch die Gänge deren böse Wände mich schmerzen was für ein Treiben in den Gängen der Zeiten in denen Schauspielerinnen Tänzer Zirkusstatisten heilige Tiere angemalte Kurtisanen Bärenführer geschminkte Königinnen unterwegs sind ein Pferd ohne Zaumzeug und Sattel galoppiert mit fliegender Mähne vorbei verfolgt in gestrecktem Lauf von zwei mit Weinranken geschmückten Tigern die zuweilen in Mäandern unter dem Leib des herrlichen Pferdes hindurchschießen und was für Stürme von Intrigen was für Revolten in den brennenden Palästen und die Jahrhunderte ziehen vorüber so viele stets besiegte Sieger zieht vorüber Rassen Stämme Reiche ich bleibe so jetzt ist sie fast fertig ihr sagen das es Zeit ist schlafen zu gehen und natürlich wird sie mir sagen noch nicht es ist gerade mal zehn also werde ich den väterlichen Ton anschlagen müssen Liebling Sie sehen müde aus Sie sollten sich ausruhen ihr aber vor allem sagen dass ich ebenfalls müde bin das wird sie überzeugen sofort aufstehen und ein Kuss auf ihr Auge nein auf beide Augen das wirkt verliebter also zwei Küsse wohlan schaffen wir sie uns vom Hals mit strenger Güte.«

XCV

    Sie lag auf ihrem Bett, das Familienalbum neben sich, rollte ein Band auf, entrollte es wieder, spielte wie eine müßige Kranke mit ihrem Band, allein mit dem Rauschen des Meeres, allein mit ihrem Band. Plötzlich warf sie es von sich, öffnete das Album, ein schweres, in Leder und Samt gebundenes Buch mit Eisenbeschlägen, und blätterte darin. Eine ihrer Urgroßmütter im Krinolinenrock an einem mit Ranken geschmückten Tischchen sitzend, mit strengem Blick und einer vom Zeigefinger offengehaltenen Bibel. Ein kleiner Großonkel, Oberst, an eine gewundene Säule gelehnt, verschmitzt dreinblickend vor einer gemalten Palme im Hintergrund, die Beine lässig gekreuzt, einen Fuß keck auf der Spitze. Sie selbst im Alter von sechs Monaten, ein wohlgenährtes, ansehnliches und fröhliches Baby auf seinem Kissen. Papa, wie er die Urkunde eines Doktor honoris causa entgegennimmt. Onkel Agrippa, eine Sitzung des Konsistoriums der Église nationale protestante leitend. Sie dreizehnjährig, mit Socken und nackten Waden. Cousin Aymon, Gesandter in Paris, mit dem Gesandtschaftspersonal. Tantlérie beim Tee mit einer vornehmen englischen Dame. Eine Garden Party bei Tantlérie.
    Sie schloss das Album, hakte den Silberverschluss zu, nahm eine Praline und ließ die breiige Bitterkeit im Mund zergehen. Alles, was in Genf zur guten Gesellschaft zählte, war bei dieser Garden Party erschienen. Sympathische, vornehme Leute. Sie zerzauste ihr Haar, ringelte es zu Locken und strich es wieder glatt. Ihre Mundwinkel senkten sich in einer kindlichen Grimasse, ihr Zwerchfell zog sich zusammen und die Luft entwich plötzlich aus ihren Lungen. Kurz, ein Schluchzer. Draußen, unvergänglich, das Meer.
    O die Schweizer Berge, die Sommerferien in den Bergen mit Éliane! Unter einer rauschenden Tanne liegend, hielten sie sich an den Händen und lauschten glücklich den fernen Schlägen, Schläge eines Bauern auf eine Sense, hämmernde Schläge, mit denen er die Klinge wetzte, regelmäßige Schläge, die durch die diamantene Luft hallten, hell und klingend in der heißen Sommersonne, beruhigend. O ihre Berge, in denen im Hochsommer alles so lebendig war, die Insekten, die in der Sonne umherschwirrten, ihre Brut fütterten, die Ameisen, die eilig ausschwärmten, die einfachen und kräftigen Männer, die mähten, schlicht und brav mit langen Schnurrbärten mähten, fleißige, ehrliche Schweizer Bergbauern, einfach und zuverlässig, Christen.
    Sie machte das Licht aus, legte sich auf die Seite, nahm einen Geruch von Staub und heißer Sonne wahr und sah

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