Die Schöne des Herrn (German Edition)
verschämt und schloss die Tür hinter sich.
Er blickte auf das Loch im Spiegel und den Scherbenhaufen in einer Ecke. Wirklich reizend die Liebe genannte Leidenschaft. Ohne Eifersucht Langeweile. Mit Eifersucht brutale Hölle. Sie eine Sklavin und er ein Rohling. Widerliche Romanschriftsteller, Bande von Lügnern, die die Leidenschaft beschönigen und ausschmücken, um sie den Idiotinnen und Idioten schmackhaft zu machen. Widerliche Romanschriftsteller, Lieferanten und Speichellecker der besitzenden Klasse. Und die Idiotinnen lieben diese schmutzigen Lügen, diesen Betrug, ernähren sich davon. Und das Kläglichste war der wahre Grund für das Geständnis dieses Techtelmechtels mit Dietsch, diesen heftigen Anfall von Loyalität. Er wusste nur allzu gut, warum sie sich in unaufrichtiger Aufrichtigkeit von diesem berühmten Geheimnis, das sie so furchtbar belastete, hatte befreien wollen. Auf den Spaziergängen der letzten Tage hatte er ihr nichts zu sagen gehabt und hatte geschwiegen. Und außerdem hatte es nur eine einzige körperliche Intimität zwischen ihnen gegeben seit seiner Rückkehr, am ersten Abend, und danach nichts mehr. Und gestern Abend in Agay hatte er sich zu früh von ihr verabschiedet. Und da war in diesem kleinen Unterbewusstsein der Wille erwacht, sich wieder aufzuwerten, Eifersucht zu entfachen, oh, nicht zu stark, eine kleine trotzige Eifersucht nur, eine anständige, zivilisierte. Gerade so viel, wie nötig war, um wieder interessant zu sein. Bereit zu gestehen, als sie zu ihm gekommen war, aber auf vage und vornehme Art, ohne auf irgendwelche körperlichen Details einzugehen, nur die andeutungsweise Erwähnung eines anderen Mannes in ihrem Leben. Die arme Kleine. Es war in bester Absicht geschehen.
Zweimal ein artiges und höfliches Klopfen an der Tür. Sie trat ein. Mit der kläglichen Stimme eines nassen Kätzchens sagte sie, sie habe vergessen, Besteck mitzunehmen, nahm es und ging mit gesenktem Kopf wieder hinaus. Sie traute sich nicht, noch einmal zurückzukommen, um eine, ebenfalls vergessene, Serviette zu holen. Sie behalf sich mit einem Frotteetuch aus dem Badezimmer. Während sie die Frauenseite einer alten, in der Schublade entdeckten Zeitung las, aß sie mit gutem Appetit. Ach, wir armen Menschenbrüder.
Ein wenig später fragte er sie durch die Tür, ob sie nicht noch etwas wolle. Sie wischte sich den Mund mit dem Frotteetuch ab, fuhr sich mit der Hand übers Haar und sagte, nein danke. Doch kurz darauf wurde die Tür einen Spalt geöffnet und ein Teller über den Teppich geschoben, auf dem Petits Fours kreisförmig auf Spitzenpapier angeordnet waren. »Keine Mousse au chocolat, damit sind wir bereits bedient«, murmelte der unsichtbare Lieferant leise für sich. Woraufhin er die Tür wieder schloss, sich setzte, die Beine übereinanderschlug, den Damaszenerdolch aus der Scheide nahm und sich damit langsam seine rechte Fußsohle aufschnitt.
CII
Kurz vor drei Uhr morgens kam er völlig angezogen in ihr Zimmer, entschuldigte sich, sie geweckt zu haben, und sagte, er fühle sich in seinem Zimmer nicht wohl, es sei ungemütlich mit den heruntergerissenen Vorhängen, den Glasscherben und dem zertrümmerten Spiegel. Wirklich unsympathisch dieses Zimmer. Am besten wäre es, das Hotel zu wechseln. Es gäbe eins ganz in der Nähe, das Splendide. Aber wie sollte man den Leuten hier im Noailles den angerichteten Schaden erklären? Sie richtete sich auf und rieb sich die Augen, ohne etwas zu sagen. Wenn sie jetzt nein sagte, nicht ins Splendide, würde er sich seinen Reim machen, und es gäbe wieder eine Szene. Bleich, mit blau umschatteten Augen, sah sie ihn an und sagte, sie würde sich um alles kümmern, er solle ruhig schon vorgehen in dieses Splendide, sie würde so schnell wie möglich nachkommen. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln und bat ihn, einen Mantel anzuziehen, es sei sicher kalt draußen um diese Zeit.
Glücklich, ihr zu gehorchen, tat er wie ihm geheißen, räusperte sich, sagte, also dann würde er jetzt gehen, er habe seine Brieftasche mit dem Geld für die Hotelrechnung in seinem Zimmer gelassen, also dann auf Wiedersehen, vielen Dank und bis gleich, und ging ziemlich betreten davon, den Blick gesenkt und den Hut tief ins Gesicht gezogen, ein wenig hinkend, denn sein zerschnittener Fuß tat ihm weh. »Lieb und tapfer und bereit, alles zu regeln«, murmelte er im Flur des vierten Stocks.
Ein Scheusal, er war ein Scheusal gewesen, ja, ein Scheusal, sagte er sich
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