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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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holen, aber trotzdem seifte sie sich gründlich den Körper ein, bevor sie zu ihrem männlichen Affen ging, ja, reibe und schrubbe und seif dich ein, seif dich ab, um dich appetitlich zu machen und dich ordentlich dietschen zu lassen, aber oh, was soll’s, was soll’s, nicht mehr daran denken. Ja, versprochen, Ehrenwort.

***

    »Jetzt sind wir im Hotel Bristol«, sagte sie leise vor sich hin, auf dem Rand der Badewanne sitzend, immer noch im Regenmantel, zu schwach, sich auszuziehen. Hässlich dieses Badezimmer. Im Noailles war es schöner gewesen. Dieser Trottel von Portier hatte ihr Gepäck ins Badezimmer gestellt. Serge, schwach, ein bisschen willenlos, aber zärtlich, aufmerksam. Eine Fliege setzte sich auf sie, und sie zuckte zusammen. Sie schniefte, suchte in ihrer Handtasche, fand nur ein kleines zerrissenes, unbenutzbares Taschentuch. Sie beugte sich vor, öffnete ihren Koffer. Keine Taschentücher. Im Noailles vergessen. Macht nichts. Sie schnäuzte sich in ein steifes und eiskaltes Handtuch, das sie unter die Badewanne warf. Die Tür ging auf. Herein kam, hinkend, ihr Herr und Gebieter, mit geschwollenem, halbgeschlossenem blauem Auge. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Warum hinkte er? Oh, was soll’s, sei’s drum.
    »Da ist ein Mann in deinen Augen. Verbirg sie.«
    Keinen Widerstand leisten, tun, was er wollte. Womit sich die Augen verbergen? Er wartete, unerbittlicher Peiniger. In Wirklichkeit hoffte er auf ein Wunder, eine wunderbare Versöhnung. Sie faltete ein weiteres Handtuch auseinander und legte es sich über das goldblonde Haar. Der gestärkte Stoff schaukelte leicht hin und her.
    »Das reicht nicht. Die Lippen sind sichtbar, ich will sie nicht mehr sehen, sie sind abgenutzt.«
    Sie nahm ein großes Frotteetuch und bedeckte sich damit den Kopf. »Danke«, sagte er. Und da bekam sie unter ihrem weißen Zelt einen nervösen Lachanfall, den sie als Schluchzen tarnte, um den Wahnsinnigen zu täuschen, den sie durch einen Spalt beobachtete und der mit seinem gesunden Auge das schluchzende Frotteetuch überwachte, enttäuscht, dass sie so schnell nachgegeben hatte. Was sollte er jetzt mit dieser vermummten Frau anfangen? Da er sie nicht mehr sah, konnte er nicht mit ihr reden. Sollte er, um eine Unterhaltung anzufangen, erst einmal »hallo« sagen? Endlich hörte das falsche Schluchzen auf. Dieses verschleierte und stumme Geschöpf beeindruckte ihn. Er kratzte sich die Stirn. Würde sie noch lange unter ihrem Burnus das Gespenst spielen? Und warum rührte sie sich nicht? Er war eingeschüchtert, ratlos, und fühlte sich betrogen. Wie sollte er aus dieser Sackgasse herausfinden?
    »Kann ich es jetzt abnehmen?«, fragte eine gedämpfte Stimme.
    »Wenn du willst«, sagte er in gleichgültigem Ton.
    »Wir sind so müde«, sagte sie, nachdem sie sich ihres Schweißtuchs entledigt hatte, vermied es aber, ihren einäugigen Kerkermeister anzusehen, um nicht einen abermaligen schrecklichen Lachanfall zu riskieren. »Willst du nicht schlafen gehen? Es ist nach sechs Uhr morgens.«
    »Es ist sechzig Uhr morgens. Ich warte.«
    »Worauf wartest du?«
    »Ich warte, dass du mir sagst, was ich von dir zu hören erwarte.«
    »Aber woher soll ich denn wissen, was du von mir erwartest? Sag mir, was ich sagen soll.«
    »Wenn ich es dir sage, hat es keinen Wert mehr. Ich will, dass es spontan ist. Also warte ich.«
    »Aber ich kann es nicht erraten!«
    »Wenn du trotz allem immer noch die bist, die ich mir erhoffe, dann musst du es erraten können. Errate es also, oder schweig.«
    »Schön, dann schweige ich, es ist mir egal, mir ist alles egal, ich bin zu müde.«
    Er betrachtete sie, wie sie da erneut auf dem Rand der Badewanne saß, den Kopf gesenkt, und auf die bis zu den Knöcheln heruntergerutschten Strümpfe starrte. Die Idiotin, die nicht erriet, niemals erraten würde, was er von ihr erwartete, nämlich sie sagen zu hören, dass Dietsch sie anwidere, dass er hässlich, dass er dumm sei, dass sie in Wirklichkeit nie Lust mit ihm empfunden habe. Aber leider war sie viel zu anständig. Nie würde es ihr in den Sinn kommen, ihren Dirigenten zu verleugnen, diese Filzlaus der Genies der Musik, der sich von ihrem Blut ernährte und sich am Ende der Symphonie verbeugte, als hätte er sie selbst geschrieben!
    Als er in seinem Koffer nach Zigaretten suchte, fand er sein schwarzes Monokel aus der Genfer Zeit. Er klemmte es sich sofort in das verletzte, geschwollene und halbgeschlossene Auge, warf einen Blick in den

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