Die Schöne des Herrn (German Edition)
hatte!
»Getrieben, getrieben, getrieben!«, schrie er und versetzte ihr einen Stoß.
Zu Boden gestürzt, die Hände an ihrem geschundenen Gesicht, hatte sie aufgehört zu weinen und blickte auf die Scherben der Teller und Gläser und die Zigarettenstummel auf dem Teppich, blickte auf ihr Leben. Ihre Liebe endete im Schmutz, die einzige Liebe ihres Lebens. O der Tag, an dem sie seine Rückkehr erwartet hatte, o das im Wind ihrer Schritte knatternde Segelkleid. Und jetzt eine Frau, die von ihrem Liebhaber geschlagen wurde.
Immer noch auf dem Boden, an einen Sessel gelehnt, hob sie die Perlenkette auf, die sich gelöst hatte, die schöne Perlenkette, die er ihr geschenkt hatte. Sein kindlich begeisterter Blick, als er die Schatulle vor ihr geöffnet hatte. Sie rollte die Kette um einen Finger, wickelte sie wieder ab und legte sie auf den Teppich, zuerst im Dreieck, dann im Viereck. Der Schmerz hatte sie abgestumpft, sie war jetzt ein kleines spielendes Mädchen. Vielleicht ist dieses Spiel ja auch nur Theater, dachte er, um ihrem Peiniger zu zeigen, wie sehr das Unglück sie verstört hatte.
»Verschwinde.«
Sie stand auf und ging mit gebeugtem Rücken in ihr Zimmer. Und da erschreckte ihn seine Einsamkeit. Oh, wenn sie doch von selbst zurückkäme, mit einer Geste des Verzeihens! Sie rufen, ja, aber ohne sie merken zu lassen, wie sehr er sie brauchte.
»Hündin!«
Sie trat ein, elegant, müde, fröstelnd.
»Da bin ich«, sagte sie.
»Verzieh dich!«
»Gut«, sagte sie und ging hinaus.
Er hasste sich, warf eine eben begonnene Zigarette fort, zündete sich eine neue an, zertrat sie, nahm aus seinem Koffer den Damaszenerdolch, das Geschenk von Michael, warf ihn in die Luft, fing ihn auf, schob ihn in seine Scheide zurück und rief erneut.
»Hure!«
Sie kam sofort, und er glaubte, sie wolle sich durch Unterwürfigkeit rächen.
»Hier bin ich«, sagte sie.
»Räum auf!«
Ob das Zimmer aufgeräumt war oder nicht, war ihm egal. Er wollte einfach das geliebte Gesicht wiedersehen. Auf den Knien las sie die Zigarettenstummel auf, die Spiegelscherben, die zersplitterten Teller und Gläser. Er hätte ihr gern gesagt, sie solle sich vorsehen und sich nicht schneiden. Aber er traute sich nicht. Um ihr nicht zu zeigen, wie sehr er sich schämte, tat er so, als überwache er sie mit dem kalten Blick eines pedantischen Kerkermeisters. O dieser gefügige Nacken. Diese junge Frau, früher so stolz, die reizbare Genferin, da hockte sie nun wie eine Putzfrau auf allen vieren und las Zigarettenstummel auf. Er räusperte sich.
»Lass das Aufräumen. Du bist zu müde.«
Immer noch auf Knien, drehte sie sich um, sagte, sie sei gleich fertig, und machte sich wieder ans Werk. In der Hoffnung, ihn durch ihren guten Willen zu entwaffnen, dachte er. Armes Kind, vom Leben noch unberührt, stets hoffnungsvoll. Vielleicht wollte sie aber auch ein bisschen die Märtyrerin spielen. Vor allem aber war sie ihm für die wenigen netten Worte dankbar, die er zu ihr gesagt hatte, und wollte sich erkenntlich zeigen, indem sie weitermachte. Immer noch auf Knien, räumte sie mit ausgestreckten Händen fleißig auf. Und plötzlich glaubte er sie vor Dietsch knien zu sehen! O dieses Gesicht eines Kindes und einer Heiligen, aber einer Heiligen, die Dietschs Stöße empfing! Nein, nein, Schluss.
»Ich bin gleich fertig«, sagte sie mit der Stimme einer Musterschülerin, ganz das artige Kind, das immer gute Noten im Betragen heimbringt.
»Danke«, sagte er. »Jetzt ist alles aufgeräumt. Es ist ein Uhr. Geh in dein Zimmer und ruh dich aus.«
»Dann also auf Wiedersehen«, sagte sie, nachdem sie aufgestanden war. »Auf Wiedersehen«, wiederholte sie bettelnd.
»Warte. Willst du nicht etwas zu essen mitnehmen?«, fragte er, während er mit dem Blick dem Rauch seiner Zigarette folgte.
»Ich glaube nicht«, sagte sie.
Er erriet, dass es ihr peinlich war, Essen mitzunehmen, denn sie wollte nicht oberflächlich erscheinen. Aber sie hatte bestimmt entsetzlichen Hunger. Damit sie das Gesicht und zugleich ihre Würde einer leidenden Frau wahren konnte, und um klarzustellen, dass nicht sie etwas zu sich nehmen wollte, sondern dass er sie dazu zwang, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete:
»Ich wünsche, dass du etwas isst.«
»Gut«, sagte sie gehorsam.
Er suchte aus, was ihm am gesündesten schien, und reichte ihr den Teller mit dem kalten Braten, den Tomatensalat und zwei Brötchen.
»Das ist mehr als genug, vielen Dank«, sagte sie
Weitere Kostenlose Bücher